JUMA 3/2003, Punk ist nicht tot
JUMA 3/2003 Seiten 16-18

Punk ist nicht tot

Schmuck aus Müll und Sicherheitsnadeln durch Nase, Ohren und Wangen gestochen, grell gefärbte Haare und abgerissene Kleidung - so erschreckten
Jugendliche ältere Damen beim Einkaufen. Keine Fußgängerzone, in der sie
nicht mit ihren Hu
nden saßen und bettelten. Ihre Musik klang wie der Anfang
vom Ende. Das war vor gut 25 Jahren in Deutschland.

Was das Thema Punk so kompliziert macht, ist die Tatsache, dass kein Punk sauber in eine Schublade passt, da Punk ja auch das Ziel hat, sämtliche Schubladen zu sprengen.
Damals kam die Punk-Bewegung von den britischen Inseln nach Deutschland. Viele junge Leute waren begeistert. Die "Null-Bock"-Haltung, das Aussehen, die aggressive Musik: all das war ein Angriff auf das triste, langweilige Leben der Eltern. Der Begriff Punk kommt aus dem Englischen und kann mit "Mist, verdorben, wertlos" übersetzt werden. Punker verstanden sich im übertragenen Sinn als „Abfall der Gesellschaft“. Sie wollten schockieren, anders sein. "No Future - keine Zukunft“ gehörte damals zu ihren Lieblingssätzen. Ihre Musik war brutal und hart, auf ihren Konzerten kam ein merkwürdiger Rempeltanz namens Pogo in Mode. Der Irokesenhaarschnitt war das Erkennungszeichen vieler Punks. Die englische Punk-Band Sex Pistols war die bekannteste Band der Punkmusik. In Deutschland wurden Bands wie Einstürzende Neubauten und Fehlfarben berühmt. In Düsseldorf begann ein Sänger mit Namen Campino seine Karriere. Bis heute tritt er mit der Punkband "Die Toten Hosen" auf.
Die meisten Punkbands verschwanden in den 80-er Jahren aus den Hitlisten. Die Punkmusik wurde von der "Neuen Deutschen Welle“ abgelöst. Wütende Lieder wurden durch spaßige Texte ersetzt. Der Sänger Markus verlangte "Ich will Spaß“. Nur noch wenige Jugendliche blieben der Punkbewegung treu.
25 Jahre nach ihrer Geburt lassen sich Fußballspieler wie David Beckham und Christian Ziege die Haare zum Irokesenschnitt schneiden. Viele Jugendliche machen es ihnen begeistert nach. In jedem Modegeschäft bekommt man heute T-Shirts mit der Aufschrift "Anarchy“ und Nietengürtel: Der Punk ist wieder da - als Mode für jedermann.
Einer, der kein Mode-Punker ist, sondern auch heute noch ein Punker aus Überzeugung, ist Paddi. Mit 15 Jahren lief Paddi, seinen bürgerlichen Namen sagt er nicht so gerne, von zu Hause weg. "Mir war es einfach zu eng und zu kalt in Kiel“, erinnert sich der 21-Jährige. Er wollte da raus. Mit seinen Eltern hatte er sich eigentlich ganz gut verstanden. Doch sein Elternhaus war ihm zu klein geworden. Über Hamburg und Berlin kam er irgendwann nach Köln. Gemeinsam mit seinem Hund Shadow lebt er jetzt mit anderen Punks und vielen Hunden in einem baufälligem Haus am Rhein.
Schule und Ausbildung waren für ihn viele Jahre nicht wichtig. Mit Freunden rumhängen, unabhängig und frei sein - so wollte er leben. Er war gern auf der Straße. "Mitleid wollte ich nicht“, sagt Paddi. Er mag die Solidarität unter den Punks. "Wir teilen, was wir haben. Das Aussehen spielt keine Rolle. Wir haben uns und wir sind gesund, das reicht“, fand er lange Zeit.
Ein bisschen geändert hat sich seine Einstellung im Laufe der Zeit aber schon. Mittlerweile hat er den Hauptschulabschluss nachgeholt und macht jetzt eine Lehre als Tischler. "Eigentlich würde ein Punk nie arbeiten gehen“, erklärt Paddi, aber er denkt jetzt an seine Zukunft. Am liebsten möchte er nach der Lehre mit seinem Hund dahin reisen, wo es wärmer ist. Ein Haus auf dem Land mit Freunden und vielen Hunden gehört auch zu seinem Lebenstraum. Doch so normal wie seine Schulkameraden von früher möchte er nie mehr leben. Nur manchmal fehlt ihm das gute Essen seiner Mutter.
Susanne Besser


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