JUMA 3/2005, Tolle Erfahrungen sind der Lohn
JUMA 3/2005 Seiten 18-20

  Workcamps

Tolle Erfahrungen sind der Lohn

Im Jahr 2005 veranstaltet Pro International 14 Workcamps in Deutschland. Bei allen Treffen arbeiten und leben junge Leute aus der ganzen Welt zusammen.
Im Aufenthaltsraum hängt eine Zeichnung an der Wand. Sie zeigt eine Stimmungskurve. Ihren Tiefpunkt hat die Kurve am Dienstag. Da schüttete es wie aus Kübeln (1). "Der Wind riss die Schutzplane ab und der Regen wusch die Farbe von der Wand", erzählt Margarete, 21 Jahre. Seit einer Woche lebt und arbeitet die junge Nürnbergerin auf dem Kochshof im Bergischen Land.
Margarete teilt sich die Arbeit mit fünf anderen Jugendlichen aus drei Nationen. Alle sind Teilnehmer eines Workcamps. Der Verein "Pro International" veranstaltet das Camp einmal im Jahr zur Erhaltung des Hofs. Das Fachwerkhaus wurde 1149 gebaut und im langen Lauf seiner Geschichte als Bauernhof genutzt. Der Hof ist typisch für die hügelige Landschaft nordöstlich von Köln. Genau wie der Regen, der immer wieder an den Mauern nagt. "Wir sitzen hier in einem Wetterloch", sagt Horst Escher, genannt Horsti. Er weist die Jugendlichen an und hat auch sonst alles unter sich.
Horsti ist "Herzog" (2) . Um den Hals trägt er eine gelbe Mantille (3) und auf dem Kopf ein Barett, die Mütze der "Zugvögel". Die "Zugvögel" sind Deutschlands älteste Jugendbewegung. Das Haus ist ihr Bundessitz. Die Jugendlichen des Bundes nutzen es aber auch als Treffpunkt und für Ausstellungen oder Liederabende.
Horsti kennt das Haus noch, als es eine Ruine war. "Es war total verkommen", sagt er. Das zeigen alte Fotos in der Küche. Die Küche und die beiden Werkstatträume liegen heute in den alten Ställen. Darüber schlafen die Teilnehmer in einfachen Unterkünften.
"Auf unseren ersten Workcamps standen die Jugendlichen noch bis zu den Knien in Bottichen (4) und haben Quark gestampft", erzählt Horsti. Aus Quark, Reisig und Mörtel (5) bestehen die Mauern, um die sich jetzt die sechs Freiwilligen aus Europa und Afrika mit Farbe und Pinsel kümmern.
Horsti leitet die Jugendlichen an. Er kennt den Kochshof noch von früher. Das Haus, das renoviert wird, war sehr verkommen.
Beatriz aus Spanien hat schon einmal an einem Workcamp in Deutschland teilgenommen.
"Es ist eine gute Arbeit", findet Beatriz, 22 Jahre, aus Spanien. "Man sieht sofort, was man geschaffen hat." Für Beatriz, die Chemie in Münster studieren will, ist es das zweite Workcamp. Sie war schon mal auf einem in Berlin. "Dort haben wir einen Kinderspielplatz gebaut und mussten den ganzen Tag nur graben."
Die Teilnehmer der Workcamps sind Studenten oder Jugendliche, die gerade ihren Schulabschluss gemacht haben. Einen Lohn für ihre Arbeit erhalten sie nicht. Nur die Unterkunft und die Verpflegung sind frei. Um 8 Uhr stehen Beatriz und die anderen aus der Gruppe auf. Dann wird fünf Stunden gearbeitet. Zwischendurch gibt es eine Mittagspause. Den Küchendienst über- nimmt ein Team aus zwei Leuten, das täglich wechselt. Der Rest ist Freizeit.
Im Urlaub zu arbeiten gibt den Teilnehmern das gute Gefühl, zu helfen. Aber nicht nur! "Es ist auch eine gute Möglichkeit, das Land kennen zu lernen und Deutsch zu sprechen", findet Matous, 20 Jahre, der wie Katerina und Martin, beide 25 Jahre, aus Tschechien kommt. Alle drei haben im Internet von dem Projekt erfahren. "Ich bin überrascht, wie freundlich und warm wir hier aufgenommen worden sind", sagt Katerina, noch auf Englisch. Martin spricht Deutsch und besteht auch darauf, es zu tun. Beatriz und Matous verstehen Deutsch und antworten auf Englisch, und Margarete wechselt ständig zwischen beiden Sprachen. Nizar, 20 Jahre, aus Sansibar spricht und versteht nur Englisch. Die Verständigung klappt trotzdem prima. Auch heute, obwohl alle etwas verschlafen wirken. Gestern haben sie mit den "Zugvögeln" bis tief in die Nacht hinein gefeiert und gesungen. Auch Lieder auf Russisch und Griechisch wurden angestimmt. "Der soziale Aspekt des Projekts ist für mich zweitrangig", sagt Beatriz. "Denn ich kann mich auch zu Hause in Zaragoza engagieren. Mir ist es wichtig, interessante Leute aus anderen Ländern kennen zu lernen. Leute, die bereit sind, sich einer solchen Situation zu stellen." - "Es sind einfach tolle Erfahrungen, die man in einem Workcamp sammelt“, findet auch Margarete. Es ist inzwischen das sechste, an dem sie teilnimmt. "Die gemeinsame Arbeit schweißt zusammen und man hat am Ende Freunde auf der ganzen Welt." Und die Stimmungskurve an der Wand? Seit gestern zeigt sie steil nach oben.
Text: Petra Kroll; Fotos: Karsten Schöne

Worterklärungen

1 es schüttet wie aus Kübeln (Umgangssprache) - es regnet stark
2 der Herzog - hier: einer der Leiter der „Zugvögel“
3 die Mantille - (spanisch) Tuch
4 der Bottich - großes Gefäß
5 der Mörtel - Gemisch aus Wasser, Sand und Zement

 

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