JUMA 3/2005, Neue Chancen ohne Grenzen
JUMA 3/2005 Seiten 22-24

Europa
Neue Chancen ohne Grenzen

 
Christoph Lauer von der Jugendbil-dungsstätte Waldmünchen leitete das deutsch-tschechische Projekt.
Das Grenz-Projekt der Jugendbildungsstätte Waldmünchen soll dabei helfen, gegenseitige Vorurteile abzubauen, Ängste voreinander zu überwinden und gemeinsam Chancen zu ergreifen - ein Beitrag zur deutsch-tschechischen Begegnung und Verständigung. Dafür gründeten jeweils rund 20 junge Deutsche und Tschechen binationale (1) "Projekt-Unternehmen". Der deutsche Projektleiter Christoph Lauer, 30, erläutert die Projektidee: "Die Jugendlichen entwickeln wie im richtigen Wirtschaftsleben eine Geschäftsidee. Sie betreiben Marktforschung. Sie kalkulieren die Kosten. Sie überlegen Vermarktungsstrategien."

Eine deutsch-tschechische Gruppe konzipierte und vermarktete ein Brettspiel über die Region. Es heißt "Kreuz und Quer". Die andere Gruppe entwarf und verkaufte den Wochenkalender "Deutsch-tschechische Ansichten" - mit Fotos aus Deutschland und Tschechien, Tipps fürs Wochenende im Grenzgebiet, Zitaten, Witzen und Kochrezepten - auf deutsch und auf tschechisch. "Wenn man die Jugendlichen anleitet", so die tschechische Projektleiterin Stepánka Ciprová, 26, "kriegen sie eine Menge auf die Reihe (2)!"
Die deutsch-tschechische Grenze verliert an Bedeutung: Oberpfalz (links) und West-böhmen (rechts) wachsen zusammen.

Beitrag zur Verständigung

Bei der Umsetzung ihrer Ideen lernten die Projektteilnehmer auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge in ihrer Grenzregion kennen. So gib
t es seit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 Fördergelder aus Brüssel (3). Damit werden in Böhmen und in Bayern Brücken und Straßen gebaut. Bürgermeister diesseits und jenseits der Grenze arbeiten zusammen. Der tschechische Austauschschüler Libor, 18, ist überzeugt: "Durch unser Projekt haben viele die Region erst richtig kennen gelernt."
Die Projektteilnehmer wurden an einem Wochenende in Waldmünchen auf ihre gemeinsamen Aufgaben vorbereitet. In Rollenspielen lernten sie, aufeinander zuzugehen und Probleme zu lösen, zum Beispiel sprachliche.
Für die Spielkarten des Brettspiels "Kreuz und Quer" fotografierten die Jugendlichen Motive in der deutschen Oberpfalz und im tschechichen Westböhmen.
Alle Tschechen lernen in der Schule Deutsch, aber die Deutschen lernen kein Tschechisch. Bei gemeinsamen Treffen dolmetscht (4) die tschechische Projektleiterin. Auch die Mentalitäten unterscheiden sich: Die Deutschen sind offensiver und direkter; die Tschechen sind ruhiger und zurückhaltender.
Trotzdem klappt die Verständigung. Die Bayerin Laura, 16, hat in Waldmünchen das Zimmer mit gleichaltrigen Tschechinnen geteilt. Dabei hat sie festgestellt: "Die sind total nett und wir haben uns prima verstanden."

"In der Regel“, so ihre Landsmännin (5) Edith, 17, "fahren wir mit Freunden oder Eltern über die nahe Grenze, um billig einzukaufen, zum Friseur zugehen oder zum Tanken. Sonst gibt es keinen Kontakt zu Tschechen.“
Auch Tschechen kommen zum Einkaufen über die Grenze. Elektronische Geräte wie Videorekorder oder digitale Kameras sind in Deutschland preiswerter; die Auswahl in Bekleidungsgeschäften ist größer. Bei ihren Einkäufen lernen sich Tschechen und Deutsche selten näher kennen.
Auch der Kalender "Deutsch-Tschechische Ansichten" zeigt Bilder aus der Region.

Deutsch-tschechisches Miteinander

Ganz anders geht es in den Projektgruppen der Jugendlichen zu: Mehrmals treffen sie sich für ganze Tage in Waldmünchen oder in Tschechien. "Leider viel zu selten", so Stepánka
Ciprová. Schließlich dauern die Projekte fast ein ganzes Jahr und die Teilnehmer wohnen weit auseinander. Viele Aufgaben wie zum Beispiel die Sponsorensuche für Spiel und Kalender lösen die Teilnehmer daher allein oder in kleinen Gruppen. "Das ist oft mehr ein Nebeneinander als ein Miteinander", kritisiert Andreas, 16.

Im tschechischen Stribro dagegen überlegt man während eines Seminartages gemeinsam: Wie soll die Verpackung des Brettspiels aussehen? Was darf die Produktion der Spielfiguren und Spielkarten kosten? Und was bekommen die Sponsoren als Gegenleistung für ihre Unterstützung? Zum Beispiel Platz für Werbung auf dem Spielbrett oder in der Spielanleitung! Manche Aufgaben werden geteilt. Libor erstellt Seiten fürs Internet. Andere formulieren die Fragen für die Spielkarten. 4-5 Teilnehmerinnen machen Fotos für den Spielplan und für die Spielkarten.

Gemeinsames Spiel: eine der beiden deutsch-tschechischen Projektgruppen während eines Arbeitstreffens im tschechischen Stribro.
Warum die Jugendlichen an dem Projekt teilnehmen? Die meisten kommen auf Empfehlung ihrer Lehrer. Ihnen liegt die Vernetzung und Kooperation von tschechischen und deutschen Schulen am Herzen. Vasek, 19, aus Merklin bei Pilsen will erfahren, wie ein Unternehmen funktioniert. Außerdem möchte er neue Leute kennen lernen. Aber er stellt auch fest, wie schwierig Entscheidungsprozesse in einer Gruppe sein können. Und dass manche Arbeitsschritte länger dauern als erwartet. Trotzdem überwiegen für ihn letztlich die positiven Erfahrungen.
Ein weiterer Schritt deutsch-tschechischen Miteinanders ist gemacht.
Jörg-Manfred Unger

Worterklärungen

1 binational - hier: aus zwei Ländern
2 etwas auf die Reihe kriegen - etwas schaffen
3 Brüssel - Sitz der Europäischen Kommission
4 dolmetschen - mündlich übersetzen
5 die Landsmännin - eine Frau mit derselben Nationalität

Ergänzender Text: Grenzenlose Zusammenarbeit
Ergänzender Text: Auf Sponsorensuche
 

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