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Junge Afghanen zu Gast in Sachsen
Austausch der Kulturen
Es war der erste Schüleraustausch nach Jahrzehnten Bürgerkrieg und Taliban-Herrschaft in Af
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Die afghanischen und deutschen Schüler erlebten viel gemeinsam und stießen dabei auf großes Medien-interesse. |
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ghanistan: 9 Schülerinnen der Aisha-i-Durani Schule und 10 Schüler der Amani Oberrealschule für Jungen in Kabul kamen für drei Wochen nach Sachsen. Dabei erlebten sie und ihre deutschen Gastgeber manche Überraschung.
Walid, 16, wurde in Kabul gut auf die weite Reise nach Deutschland vorbereitet. "Der Lehrer hat uns Filme und Fotos gezeigt und viel über Deutschland erzählt, berichtet er. Vor Ort wird für den jungen Afghanen dennoch vieles zum Erlebnis: die erste Zugfahrt seines Lebens, der gemeinsame Unterricht von Jungen und Mädchen, Frauen-Fußball, Mineralwasser mit Kohlensäure, alte Burgen und Schlösser, der Wald, die grüne Landschaft und nicht zuletzt der viele Regen, der ihn vom Wetter in Deutschland schwärmen lässt.
Gelebte Landeskunde
Walid wohnt bei Mathias, 16, in Elsterberg. Das ist ein 3000-Einwohner-Ort im Vogt-land. Auch Mathias wurde in der Schule gut auf den Besuch vorbereitet. Er wusste: die Afghanen essen wegen ihres muslimischen Glaubens kein Schweinefleisch und sie trinken keinen Alkohol, die Mädchen und Frauen tragen Kopftücher, in Afghanistan isst man nicht mit Messer und Gabel und sein Gastschüler steht morgens vielleicht etwas früher auf, um zu beten. "Man muss andere Menschen mit Respekt behandeln", sagt Mathias, "egal, wo sie herkommen, wie sie aussehen, wie sie sprechen oder wie sie gekleidet sind. Kein Wunder, dass er sich mit Walid gut versteht.
"Gelebte Beziehungen mit anderen Völkern", erläutert Wolfram Markert, Direktor der Elsterberger Mittelschule, auf die Mathias geht, "ist ein Bestandteil unserer Erziehung." Schließlich ist die Mittelschule Elsterberg eine von 12 Unesco-Schulen in Sachsen, die ihre Schüler zur "Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Menschen und Kulturen erziehen wollen.
Gemeinsame Projekte
Im Unterricht erleben die deutschen Schüler, wie wissbegierig die gleichaltrigen Afghanen sind und welchen Respekt sie vor Lehrern haben. Das führt unter den deutschen Schülern zu Selbstkritik: "Wieso quatschen eigentlich alle durcheinander und warum macht jeder, was er will?" Ahmad, 19, findet den Umgang zwischen dem Lehrer und seinen Schülern in Deutschland geradezu familiär: "Wie ein Vater und seine Söhne!"
Andererseits erleben die afghanischen Schüler einen völlig anderen Unterricht als zu Hause: In kleinen Gruppen führen sie mit den deutschen Schülern Projekte durch - eine völlig neue Erfahrung, die sie begeistert. Sie sammeln gemeinsam Material, recherchieren vor Ort und stellen die Ergebnisse anschließend vor. So befasst sich eine Gruppe mit dem Thema "Handwerk und Landwirtschaft" und erlebt dabei in einer Bäckerei die Herstellung von Brot. Landeskunde hautnah.
Die zweite Woche ihres Deutschland-Aufenthaltes verbringt die afghanische Gruppe in Chemnitz. Hier entsteht an der Albrecht-Dürer-Mittelschule ein Kunst-Projekt: Die afghanischen und deutschen Schüler malen Bilder. Für die jungen Afghanen ist das etwas Besonderes: Lange Zeit herrschte in Afghanistan Bilderverbot. In wenigen Tagen entstehen zahlreiche Bilder, die die künstlerische Entwicklung der Schüler zeigen. Ein Bild trägt den Titel "Austausch der Kulturen". Es zeigt einen langen und steinigen Weg, der sowohl verbindet, als auch trennt. Aber es gibt ihn und man kann ihn gehen. Ein Bild, dass mehr als tausend Worte sagt.
Alle Afghanen wollen nach dem Abitur in Deutschland studieren. Said hat sich für Medizin entschieden, "damit unsere Leute nicht mehr nach Pakistan fahren müssen, um sich behandeln zu lassen. Ahmad interessiert sich für Maschinenbau, "um beim Wiederaufbau von Afghanistan helfen zu können." Demnächst sollen deutsche Schüler auch nach Kabul reisen.
Jörg-Manfred Unger
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