JUMA 4/2004, Trau dich!
JUMA 4/2004 Seite 06-09

Trau dich!
Wer sagt denn, dass bestimmte Berufe oder Hobbys nur etwas für Jungen sind?

 
Skispringerin Angelika vor der Mattenschanze in Oberstorf, wo sie auch im Sommer trainieren kann.
Immer nur fliegen
Fliegen will sie. Immer nur fliegen. "Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl", sagt Angelika, 17. "Wenn ich Angst hätte, könnte ich meinen Sport sofort vergessen", glaubt sie. Schon als kleines Mädchen wollte sie nichts anderes als über den Bergen abheben. Mit drei Jahren stand sie auf Skiern, mit fünf setzte sie zum ersten Mal zum Sprung an. Ihr Elternhaus steht im Fichtelgebirge, ganz in der Nähe einer Schanze. Vom Balkon des Hauses aus konnte sie den Skispringern zusehen. Beim Training war sie das einzige Mädchen. Sie trat bei ihrem ersten Wettkampf nur gegen Jungen an. Denen flog sie davon. Sie gewann das Springen. "Nein", wundert sie sich, "eigentlich habe ich nie gehört, dass ich es als Mädchen nicht schaffen könnte." Manches hat sich inzwischen in ihrem Sport geändert. "Seit den Erfolgen von Sven Hannawald und Martin Schmitt wollen immer mehr Mädchen Skispringerin werden“, weiß sie. Doch nach wie vor ist es für Frauen ein Nischensport und Angelika eine Ausnahmesportlerin. "Viele männliche Skispringer nehmen uns Frauen nicht wirklich ernst. Das spürt man besonders bei einem Turnier", ist ihre Erfahrung. Sie selbst dagegen nimmt ihren Sport sehr ernst. Wegen der besseren Trainingsmöglichkeiten ist sie ins Skiinternat nach Oberstdorf umgezogen. Hier macht sie Übungen wie das Absprungtraining und meistert ihr Heimweh.

 
Mareike ist am liebsten draußen in der Natur. Als Forstwirtin ist sie oft im Wald unterwegs.
Glück in der Natur
Ihre Haarfarbe wechselt sie wie andere Leute ihre Klamotten. Mal leuchten sie in Lila, mal in Orange oder Grün. Bei ihrer Arbeit ist Mareike (20) dafür bekannt, auch wenn sie dort die meiste Zeit einen Helm tragen muss. "Der Helm schützt beim Bäumefällen vor herabstürzenden Ästen", sagt sie. Das Fällen mit der Motorsäge ist für sie so normal wie Vogelgezwitscher und vorbeihuschende Rehe. Die 20-Jährige macht im Naturschutzpark Eifel eine Lehre zur Forstwirtin. Ihre Vorgesetzte ist eine Försterin - eine Ausnahme in diesem Beruf. Warum die Arbeit im Wald eine Männerdomäne ist? Mareike hat es bei ihren Bewerbungen erfahren. Mal fehlte die Frauentoilette. Mal hieß es, Frauen bekommen schneller Rückenprobleme. "Dabei werden die Geräte immer leichter, mit denen wir arbeiten", entrüstet sich die Abiturientin. Neben der Holzernte kümmert sich Mareike um den Erhalt der Natur. Dazu gehört auch die Kontrolle der Bachläufe. Aus den fließenden Gewässern muss Mareike die Fichten entfernen, damit das Wasser nicht "versauert". Zuhause hat sie ein Herbarium mit den Pflanzen aus ihrem Wald angelegt. "Ich habe auch schon mal ein Praktikum im Büro gemacht. Wenn man dort aus dem Fenster guckte, sah man nur Häuser und kaum einen Baum", berichtet sie. Der Wald mit seinen Bäumen aber hat Mareike gepackt. Draußen sein und die Natur beobachten können - das versteht sie als ihr ganz großes Glück.

Ausdauer und spaß braucht man, wenn man Schlagzeug lernen will. "Typisch männlich" ist das Instrument nicht.
Kraft ist nicht nötig
Gibt es männliche und weibliche Instrumente? "Nein, eigentlich nicht", antwortet Bianca (17) lachend. Und doch gibt es große Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, wenn sie ein Instrument lernen. "Bei uns sind die Violinspieler in der Regel weiblich. Beim Schlagzeug sind die meisten Schüler Jungen", sagt man an der Rheinischen Musikschule in Köln. Dort lernt Bianca seit sieben Jahren Schlagzeug. Wenn sie Red-Hot-Chili-Pepper-Songs spielt oder zu Avril-Lavigne-Musik die Basstrommel tritt, kann sie richtig abschalten. Von einer Karriere als Musikerin träumt sie nicht. "Die meisten Eltern muss ich erst überzeugen, wenn Mädchen Schlagzeug spielen wollen. Sie glauben, Mädchen hätten nicht die Kraft dazu", sagt Tom Riedel, Biancas Lehrer. Bei Bianca war es anders. Mit 9 Jahren "trommelte" sie auf Blechkisten und Dosen. Mit 10 Jahren schickten sie ihre Eltern auf einen Workshop, um das Instrument kennen zu lernen. - Musikalische Vorbilder? "Keine", sagt sie. Bevorzugte Musikrichtung? "Irgendetwas zwischen Rock und Pop." Vor drei Jahren schloss sie sich einer Band an. "Für einen Schlagzeuger ist die Band wichtig. Die Rhythmen der Lieder sind allein schnell gelernt. Doch mit einer Band kann man sich weiterentwickeln", findet sie. Einmal in der Woche ist Probe. Dazu kommt der wöchentliche Unterricht. Außerdem übt Bianca noch allein: dreimal die Woche eine halbe Stunde im Keller ihres Elternhauses. "Kraft braucht man nicht zum Spielen", sagt sie. "Höchstens Ausdauer und Spaß."

Julia unterhält sich lieber über Technik als über Mode und Musik. Meistens sind die Gesprächspartner Jungen.
Begabungen sind unabhängig vom Geschlecht
Kleine Rauchfahnen steigen in die Luft. Auf den Tischen liegen Stecker, Drähte und andere technische Materialien herum. Davor sitzen einige Jungen und ein Mädchen. Sie hantieren mit Lötkolben und Zangen. Julia (15) hat sich daran gewöhnt, dass sie das einzige Mädchen in den Kursen der Jugend-Technik-Schule in Berlin ist. Die Welt der Schaltkreise entdeckte sie mit 9 Jahren auf einer Infoveranstaltung des Berliner Freizeitzentrums FEZ. Mindestens einmal in der Woche kommt sie in die Schule im FEZ. Schulter an Schulter baut sie mit den Jungs um die Wette, zum Beispiel einen Gewitterempfänger. Mädchen, Jungen und Technik? Julia kann über dieses Thema viel erzählen. „Viele Jungen meinen, sie seien technisch begabt, wenn sie den Videorekorder bedienen können“, erklärt die Schülerin mit den Lieblingsfächern Mathematik und Physik selbstbewusst. Mädchen dagegen hätten an Technik wenig Interesse. "Die meisten unterhalten sich lieber über Mode und Musik", gibt sie ihre Erfahrungen wieder. Themen, die sie eher langweilen. Unterstützung erhält Julia von ihren Eltern, die ihre Begabung fördern. "Gerade weil du ein Mädchen bist, verstehst du auch etwas von Technik", sagen sie. Julias Vater ist Lehrer für Mathematik und Physik, ihre Mutter Ingenieurin. Wie Julia ist sie ein gutes Beispiel: Begabungen sind vollkommen unabhängig vom Geschlecht.


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