Auffallen ist wichtig
JUMA 3/2003 Seiten 08-13

Auffallen ist wichtig

Nicht so aussehen wie alle: das wollen nur wenige Jugendliche. Doch die, die sich für einen individuellen Stil entschieden haben, zeigen ihn ganz selbstbewusst.

 
Judith, 17 Jahre,
im freiwilligen sozialen Trainingsjahr

Wie?
Chucks (1) sind meine Lieblingsschuhe. Ich habe rote und blaue. Kniestrümpfe finde ich warm und cool. Meine Jeans krempele ich hoch. Das sieht nicht so langweilig aus. Im Moment trage ich am liebsten ein Oberteil im Leopardenmuster. Auf meiner Jeansjacke sind verschiedene Pins und Aufnäher von Bands. Meine Haare trage ich im Rockabilly-Stil. Ich färbe sie jeden Monat rot und schwarz. Das sind meine Lieblingsfarben. Ich mische immer verschiedene Stile. So stelle ich meinen eigenen Stil zusammen. Ich will mir noch ein buntes Tattoo mit Blumen auf den Arm machen lassen. Wenn ich zu einem wichtigen Termin muss, ziehe ich schwarze Sachen an. Viele Sachen kaufe ich in Secondhand-Läden oder Boutiquen für Grufties. Einige Stücke mache ich selbst.

Warum?
Es ist mir wichtig, dass man mich in der Masse erkennt. Ich war schon immer eine Außenseiterin. Ich habe keinen Bock auf oberflächliche, unreife Typen. Gleichaltrige Mädchen und alte Omas gucken mich oft böse an. Doch das ist mir egal. Meine Eltern finden meinen Stil gut.

1 Chucks - halbhohe Sportschuhe

Paul, 16 Jahre, Azubi

Wie?
Ich trage Jeans und Springerstiefel. Die Jeans habe ich mit Chlor behandelt. Darum ist die Hose jetzt fleckig. Meine Army-Jacke habe ich vor drei Jahren in einem Second-hand-Laden gekauft. Heute ist sie ein kleines Kunstwerk. Ich habe Teile darauf befestigt, die ich gefunden habe. Die Jacke ist voll mit Nieten und Aufnähern gegen Nazis. Vorne an der Tasche ist der Griff von einer Schublade. Ich habe auch eine Trillerpfeife für Notfälle an der Jacke. Zuhause habe ich viele bunte T-Shirts, eine rot karierte Hose und eine in Neon-Orange. Bei der Arbeit trage ich nicht so auffällige Kleidung.

Warum?
Vor drei Jahren habe ich einen Überfall von Neonazis erlebt. Damals habe ich gedacht: Die Leute sollen sehen, dass es auch andere Jugendliche gibt. Seitdem laufe ich so rum. Meine Eltern akzeptieren das. Meine Mutter hat mir sogar bei meiner Frisur geholfen. Auf der Straße erlebe ich täglich Beleidigungen. Doch das ist mir die Sache wert. Passiert ist mir noch nichts. Ich kann schnell laufen!

Eileen, 17 Jahre, Azubi

Wie?
Im Moment ist Blau meine Lieblingsfarbe.
Ich trage Skater-Schuhe, eine Hose und darüber einen Jeans-Rock. Dazu trage ich drei Jacken übereinander. Ich mag diesen bunten "Zwiebel-Look“. Viele Farben passen nicht zueinander. Das gefällt mir. Wenn ich ausgehe, ziehe ich auch diese Sachen an.
Ich nehme dann nur ein bisschen mehr Schminke und Glitzer. Bei der Arbeit trage ich zu bunten Oberteilen meistens Jeans, weil die bequem sind. Probleme mit meiner
Chefin habe ich deswegen nicht: Sie mag bunte Farben.

Warum?
Ich laufe seit meinem 14. Lebensjahr so rum. Damals hatte ich einen sehr guten Freund, der Gruftie war. Alle haben mir gesagt: Du bist verrückt, dass du mit dem rumläufst. Weil ich nicht schwarz tragen wollte, habe ich mich damals für bunt entschieden. Danach habe ich viele neue Leute kennen gelernt, die auch so individuell aussehen. Das indi-viduelle Aussehen finde ich gut. Auffallen ist mir wichtig!

Nora, 19 Jahre, Praktikantin

Wie?
Ich trage meistens rot-weiße Chucks. Zur Tarnhose trage ich eine alte College-Jacke. Darunter ist eine Jacke aus rotem Teddystoff. Ich finde es wichtig, dass alle Teile farblich zueinander passen. Meine Haare habe ich schwarz gefärbt. Meine Sachen sind praktisch und ausgefallen. Die meisten kommen aus Secondhand-Läden. Modische Vorbilder habe ich nicht.

Warum?
Mit 12 bin ich in die Punkerszene gekommen. Ich fand es damals toll, die Leute in unserem Dorf zu schocken. Meine Klamotten waren bunt, zerfranst und sehr extrem. Später nervte es, wenn Omas einem hinterherguckten. Hier in Berlin kann ich rumlaufen, wie ich will. Mir ist es wichtig, dass ich mich von der Masse abhebe. Ich ge-höre jetzt zu der Independent- und Hardcore-Szene (2). Da trägt man diesen Stil. Ich finde es blöd, wenn die breite Masse modische Teile aus solchen Szenen kopiert.

2 Independent-/Hardcore-Szene - musikalische Stilrichtung

Mano,19 Jahre, Azubi

Wie?
Meine Lieblingshosen sind blaue Jeans. Dazu trage ich oft eine Lederjacke vom Secondhand-Markt und Bandklamotten. Meine Lieblingsmusik ist Punkrock. Zu meinem Outfit gehört auch die dicke Kette für Geldbörse und Schlüsselbund. Zuhause habe ich jede Menge T-Shirts. Ich habe auch einen Anzug im Schrank. Den habe ich seit drei Jahren nicht mehr getragen. Bei der Arbeit trage ich die Kette nicht. Ansonsten ist mein Chef tolerant. Hauptsache, ich komme nicht dreckig.

Warum?
An der Kleidung soll man meinem musikalischen Geschmack erkennen. Mit 15 habe ich mich für Bands wie Greenday und Offspring interessiert. Damals fing ich an mit den Bandklamotten. Andere haben mich deswegen beschimpft. Ich finde, man soll sich kleiden, wie man will. Ich merke, dass ich deswegen auf der Straße angeguckt werde. Doch das stört mich nicht. Mein Vater mag meinen Stil nicht. Er sagt: „Kauf dir mal was Anständiges!“ Er möchte, dass ich wie er aussehe.

Melanie, 18 Jahre, Azubi

Wie?
Ich trage ein dunkelblaues Jeanskleid, schwarze Stiefel und eine helle Felljacke. Als Schmuck trage ich Strass-Ohrringe und ein Strass-Halsband, dazu eine Kette mit einem Anhänger. Wenn ich keine Mütze trage, nehme ich zum Beispiel ein Kopftuch. Ich ziehe mich so an, wie ich mich gerade fühle. Am liebsten habe ich klassische Sachen. Bei der Arbeit müssen wir schwarze Hosen und schwarze Schuhe tragen. Das Oberteil darf grün, weiß oder in Naturfarben sein, aber am liebsten schwarz. Ich mag diese Farben, grelle Töne gefallen mir nicht. Es gibt ein paar Boutiquen in Berlin, wo man Sachen in diesen Farben bekommt. Provozieren möchte ich nicht mit meinem Aussehen, aber auffallen schon.

Warum?
Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Mit 13 trugen wir alle das gleiche: "Streetlook“ mit weiten Hosen und Pullovern. Mädchen und Jungs liefen gleich angezogen rum. Schicke Sachen trugen wir nicht. Dann habe ich angefangen zu arbeiten und bin nach Berlin ge-kommen. Dort gab es neue Läden und neue Einflüsse. Ich wollte mich modisch abheben von den anderen. Viele Freundinnen von früher tragen heute noch ihren alten Stil. Eine habe ich mal schick eingekleidet - sie sah danach viel besser aus! Meine Mama und mein Freund mögen meinen Stil. Manchmal bekomme ich modische Tipps von meiner Mama, und wir tauschen auch die Schuhe.


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