JUMA 3/2005 Seite 14-17
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Unter Segeln lernen (Teil 2) High Seas High School (HSHS): das bedeutet Schule auf dem Meer. Sechs Monate waren Schüler und Lehrer auf großer Fahrt. Die Reise ging auf dem Traditionssegler "Thor Heyerdahl" von Kiel aus in die Karibik und zurück nach Emden. Über den Start berichteten wir im letzten JUMA. Doch was haben die Schüler und ihre Begleiter unterwegs erlebt? Welche Erfahrungen bringen sie mit? Und: Sind alle gesund wieder angekommen? 47 Menschen sind gespannt, was sie erwartet. Zwei Tage nach dem Start bekommen sie einen Vorgeschmack: Windstärke 10! "Es kann sein, dass ich diverse Geschehnisse nicht miterlebt habe, da ich selbst den Großteil des Tages seekrank in meiner Koje verbracht habe. Es wird jedoch erzählt, dass ein Segel gerissen ist und geborgen werden musste", schreibt Konstantin ins Schiffstagebuch. Die "Thor" sucht Schutz im Hafen von Helgoland. Am nächsten Tag bessert sich das Wetter. Über die britische Kanalinsel Guernsey geht es durch die Biskaya und weiter nach Teneriffa. Dort besteigen die Segler den Vulkan Teide und treffen Jacqueline Heyerdahl, die Witwe des Forschers und Seglers Thor Heyerdahl.
Bis zu diesem Zeitpunkt haben sich die Schüler mit dem Schiff vertraut gemacht. Sie haben sich an den Rhythmus der Wachdienste angepasst. Sie haben Segel gesetzt und geborgen. Sicherheitsübungen und Schiffsmanöver standen auf dem Programm. Nur das Lernen für die Schule musste bis jetzt warten. Dann, am 21.11.2004, notiert Lehrer Steffen ins Schiffstagebuch: "Morgen beginnt der Unterricht. Auf dem gesamten Schiff haben die Menschen Bücher in der Hand, lesen über das Meer und seine Bewohner, über die Seefahrt oder über lineare Funktionen. Einige verlassen dabei gedanklich den Kreis und überspringen den Horizont, andere bleiben hier. Das gesamte Leben an Bord findet aufgrund der steigenden Temperaturen zunehmend draußen statt. Das frisch eingerichtete Klassenzimmer mit Tafel und Schatten auf dem Hauptdeck dient als Wohn- und Esszimmer, als Aufenthalts- und Arbeitsraum, als Lebensraum." Ankunft in der Karibik
Nach dieser Entdeckung geht es weiter mit dem Unterricht: Deutsch und Biologie. Zum Mittagessen gibt es wie jeden Samstag Eintopf. Anschließend wird die Thor von oben bis unten gesäubert. "Reinschiff" sagen die Seeleute dazu. Nachmittags dreht der Schiffsrat seine Runde und verteilt Schiffstagebucheinträge. Chrissy schreibt: "Das sorgte gerade unter uns Schülern für Diskussionen, so dass wir nach dem Abendessen eine spontane Schülerversammlung einberiefen. Leute, langsam klappts mit den Gesprächs- und Diskussionsregeln!" Samstag ist auch Kinotag auf der "Thor". Der Segelfilm "Wind" wird abends draußen auf dem Hauptdeck gezeigt. Schwimmen, Tauchen oder Ausflüge mit dem Beiboot sind in den nächsten Tagen die Verlockungen. Doch dabei lauern auch Gefahren. Phillip verletzt sich beim Sprung von der "Thor" ins Wasser am Rücken. Am 23.12. schreibt Elmar, der pädagogische Leiter, ins Logbuch: "Wir haben gestern um 12.30 Uhr den Hafen von Fort de France/Martinique unter Segeln verlassen. In Fort de France ging der Bordarzt Wolf planmäßig und Philipp aus gesundheitlichen Gründen von Bord." Der Schüler aus Meckenheim muss zurück nach Deutschland. Weihnachtsfest an Bord
Dann wird es spannend: "Nach und nach wird jedes einzelne Geschenk verteilt. Diejenigen, die eines bekommen, müssen es sofort auspacken, damit auch die anderen es sehen können. So ist es fast so, als ob jeder von uns selber ganz viele Geschenke bekommt." Im neuen Jahr macht die HSHS Station in Costa Rica. Höhepunkt des Aufenthaltes ist eine Exkursion in den Regenwald. Im Februar sind die Schüler auf Kuba. Eine Grippewelle sorgt dafür, dass nur wenige Schüler das Programm mitmachen können. Die "Thor" ist während der Landzeiten mit anderen Gästen in der Karibik unterwegs. Inzwischen hat Jochen Beninde das Schiff als Kapitän übernommen. Anfang März sind die Schüler der HSHS wieder an Bord. Die Reise geht nach Mexiko. Nadia berichtet: "Vier Tage verbrachten wir im Nationalpark von Isla Contoy. Das waren besonders erholsame Tage, die wir mit verschiedenen sportlichen Aktivitäten wie Kajak fahren, Schnorcheln oder Schwimmen verbrachten. Wir füllten diese Tage mit mehreren Aktionen für die Naturerhaltung des Parks." Zurück in die Heimat Mit vollen Provianträumen, 14,0 Tonnen Frischwasser, 12,6 Tonnen Diesel und 355 Liter Schmieröl geht es auf den Weg zurück. Am 16. März übernehmen die Schüler das Schiff bis zu den Bermudas. Von dort geht es in Richtung Azoren. Im Logbuch bemerkt der pädagogische Leiter: "Mit dem seit gestern zunehmenden schweren Wetter ist nun bei allen im Bewusstsein die Nordatlantiketappe angebrochen, und mit ihr der insgeheim befürchtete Abschied von der Gelassenheit, Wärme und Freundlichkeit der karibischen See." Auf dem Stundenplan stehen jetzt Mathematik, Englisch, Erdkunde, Chemie, Deutsch, Physik und Biologie. Da alle Schüler mindestens drei Fächer wählen müssen, findet der Unterricht zu
Mitte April ist man schon ganz nah dran an Zuhause. Nadine erklärt, wie es ihr in so einem Moment geht: "Ach ja, es sind nur noch 12 Tage. Es neigt sich allmählich echt dem Ende zu - weniger als zwei Wochen. Schon ein komisches Gefühl. Einerseits freue ich mich riesig auf meine Familie und auf mein Zuhause, andererseits werde ich vielleicht Leute aus den Augen verlieren. Na ja, aber ich denke die ,richtigen Freundschaften bleiben bestehen! (Ach ja, Mama, bitte, bitte bringt mir Vollmilch zur Ankunft mit, das ist glaub ich das Getränk, das ich am meisten vermisse!)" Text: Christian Vogeler; Fotos: Ronald Frommann Worterklärungen 1 die Messe - hier: der Aufenthaltsraum auf Schiffen 2 die Bram - hier: der Platz im Mast für den Ausguck |