JUMA 1 / 2005 Seite 06-09
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Nadja berichtet auch von den Studenten, die hier billige Wohnungen suchten. Und von den Hausbesitzern, die ihre Gebäude zerfallen und leer stehen ließen. Damals begann die wilde Zeit der Kreuzberger Hausbesetzer. Junge Leute zogen gegen den Willen der Besitzer in die leer stehenden Häuser. Hausbesetzer gibt es heute nicht mehr, dafür aber ein buntes Gemisch von Geschäften, Galerien und Werkstätten. Nadja führt ihre Gäste in einen Spezialitätenladen mit ungewöhnlichen Gewürzen, Gemüse- und Obstsorten. Sie verteilt Kichererbsen zum Probieren. So richtig begeistert sind die Brandenburger nicht. "Schmeckt eigenartig, sagen sie. Um die Ecke, in einem türkischen Café, gibt es Tee. Falk, Anika und die anderen können sich dort endlich einmal setzen. "Manche Teesorten kannte ich nicht, erzählt Stefanie. "Das hat gut geschmeckt, besonders der Apfeltee. Von Nadja hören sie, dass Frauen selten in das Café gehen. Hier treffen sich eher die türkischen Männer, um zu reden, Tee zu trinken oder Brettspiele zu spielen. Ein paar Meter vom Eingang des Cafés entfernt lernen die Schüler noch etwas über die wechselvolle Geschichte des Stadtteils: "Stolpersteine auf dem Fußweg erinnern an Juden, die in Kreuzberg gewohnt haben und im Dritten Reich deportiert und getötet wurden.
Der Platz ist so groß, das Nadja mit ihren Gästen einen türkischen Hochzeitstanz üben kann: Alle fassen sich an und drehen sich zur Musik im Kreis hin und her. Drei Jungs finden das blöd. Sie setzen sich lieben auf eine Parkbank. Eine kleine Pause für die Brandenburger, die nach knapp vier Stunden Kreuzberg-Tour ziemlich geschafft sind. Einfach sitzen und sich dort mit Bekannten treffen, das machen auch andere auf dem Oranienplatz - zum Beispiel türkische oder arabische Männer. Ein paar Meter neben dem Oranienplatz gibt es einen neu gestalteten Park - früher war dort die Berliner Mauer. Einige Reste davon hat man zur Erinnerung im Boden gelassen. Dann erleben die Schüler eine große Überraschung: Pferde und Ziegen mitten in der Großstadt. Sie gehören zu einem Kinderbauernhof, den es bereits seit Jahrzehnten gibt, mitten zwischen alten Häusern.
Letzte Station ist ein türkisches Restaurant. Es liegt nur ein paar Meter von der Hochbahntrasse entfernt, auf der die U-Bahn in Kreuzberg verläuft. Ziemlich hektisch ist es hier: viele Menschen, viele Autos. Die Brandenburger Schüler ziehen ein Resümee: Michael hatte keine Begegnung mit Straßengangs. Und: "Ich dachte, es kommen ständig kleine Kinder an und wollen was von mir, aber das war gar nicht so, meint er. Und Falk meint: "Die leben doch so wie wir. Anika findet, dass das Projekt viele Vorurteile beseitigt hat: "Ich dachte, in Kreuzberg laufen ganz viele Punks herum. Doch dafür hätte sie wahrscheinlich vor zehn oder 15 Jahren dorthin kommen müssen. Toll findet sie die großen alten Häuser. "Bei uns gibt es nur Einfamilien- und Reihenhäuser. Oliver fand besonders den Park neben dem Oranienplatz interessant. Er möchte gerne mit Freunden wieder nach Kreuzberg kommen, um sich alles noch einmal in Ruhe anzuschauen. Text und Fotos: Klaus Martin Höfer Worterklärungen 1 die Multikulti-Gesellschaft - die multikulturelle Gesellschaft (Gesellschaft, in der viele verschiedene Kulturen miteinander leben) 2 der Kiez - Begriff für das Stadtviertel in Berlin |