JUMA 3/2004 Seite 28-29

  Europa, wir kommen!

Sechs Schulen aus sechs verschiedenen europäischen Ländern arbeiten seit 2001 im "Transnational Learning Network" zusammen. In diesem gemeinsamen Netzwerk wollen die beteiligten Schulen ein Lernen über Grenzen hinweg möglich machen. Das funktioniert vor allem über das Internet. Doch auch der direkte Kontakt kommt nicht zu kurz: Einmal im Jahr findet an allen Schulen gleichzeitig eine Projektwoche statt. Schüler der jeweils anderen Schulen nehmen als Delegierte daran teil. Bei der Projektwoche der deutschen Schule in Rendsburg (Schleswig-Holstein) war JUMA zu Gast.

Auf den gemeinsamen Internet-Seiten der Schulen findet man die Ergebnisse der Zusammenarbeit in verschiedenen Sprachen.
Luci, 21, Simon, 16, und Martin,17, aus Lancaster (England) sind richtig gut. In der dunklen Aula der Rendsburger Herderschule zeigen die Schüler auf der großen Leinwand Bilder ihrer Stadt und ihrer Schule. Mit lockeren Sprüchen und meistens ohne Manu-skript stellen sie die Vorzüge ihrer Heimat vor. Es ist Dienstag früh, kurz nach acht. Auch die anderen Gruppen sind gleich noch dran.

Seit Samstag sind die Gäste der Partnerschulen in Rendsburg. Am Sonntag stand ein Gang durch die Stadt auf dem offiziellen Programm. Montag testeten alle Teilnehmer ihr Wissen bei einem Mathematik-Wettbewerb und ihr sportliches Talent bei einem Basketballturnier.

Doch das ist wohl nicht der Grund, warum einige Gesichter heute morgen ziemlich müde aussehen. Denn abends machen die Schüler selbst Programm: Tanzen im "Cheyenne-Club", Billard spielen im "Ruby Days" oder bowlen im "DAB-Bowling" beispielsweise. Schließlich wollen sich die Jugendlichen auch einmal ohne Lehrer in die Augen blicken ...

Konzentrieren und entspannen: Gruppen-protokoll
Maria hat Tatu-Pekka dabei wohl zu tief in die Augen geblickt. Sie findet den jungen Finnen aus Tampere "richtig süß“". Das gibt Ärger! Marias Freund ist sehr böse. Kommt es zum Streit? Auf keinen Fall! Denn diese Geschichte ist erfunden - und gehört zur Projektwoche. Die Erklärung: Die Foto-Gruppe hat sich die Handlung für einen Fotoroman ausgedacht. Mit der Kamera begleiten sie die Gruppe. Sie dient als Hintergrund für die Hauptdarsteller. Am Ende gibt es natürlich ein Happyend ... Um gutes Verstehen geht es auch in der Gruppe, die ein "Vademecum" für Austauschschüler erarbeitet. Das ist ein Heft für Schüler, die zum ersten Mal an eine Partnerschule kommen. Sie finden darin die wichtigsten Informationen über das Land und die Gastgeber: Welche Tischsitten gibt es, worüber sollte man besser nicht sprechen oder wie verabschiedet man sich? Oliver, 16, Rendsburger Schüler und Computerfan, bringt die Hefte am Monitor in die richtige Form. Material gibt es genug: Bereits in den vergangenen Jahren haben die Schulen an dem Vademecum gearbeitet.

Murat, 17, sitzt im Nebenraum am Computer. Er hat noch ein leeres Dokument vor sich auf dem Monitor. Daraus soll bis Freitag eine Zeitung über die Projektwoche werden. Doch heute geht die Gruppenarbeit ja erst los! Also muss er warten, bis seine Mitschülerinnen Kaja und Anni, beide 17, ihre ersten Interviews gemacht und Reportagen geschrieben haben. Die Mädchen von der französischen Delegation wollen ebenfalls einen Text liefern. Ob das alles klappt? Anni ist skeptisch. Vorsichtshalber schreibt sie schon mal einen Text, in dem sie rückblickend beschreibt, was in den nächsten Tagen passiert.

Eher klein sind die Probleme der Buffet-international-Gruppe. Was soll in den deutschen Nudelsalat? Für den Abschlussabend wollen die Jugendlichen kleine Speisen aus den verschiedenen Ländern herrichten. Luci aus der englischen Delegation hat ein Rezept für Flap Jacks (englische Plätzchen) mitgebracht, Mari, 17, aus Finnland eins für Runeberg Pies (kleine Törtchen). Belegte Baguettes (französisches Stangenbrot) sind für Frankreich eingeplant. Nun also ist die Frage zum deutschen Essen: Kommen Erbsen oder Mais in den Salat, Schinken oder Wurst, Tomaten oder Paprika? Nach kurzer Diskussion einigt sich die Gruppe: Es gibt zwei verschiedene Nudelsalate!
Gegen Mittag ist jede Müdigkeit verflogen. Überall in der Schule sieht man die Delegierten bei der Projektarbeit. Es gibt noch eine Gruppe, die zum Thema "Globalisierung" arbeitet und eine, die einen Dokumentarfilm dreht. Die Buffet-Gruppe hat sich auf den Weg in den nächsten Supermarkt gemacht. Mit der Verständigung klappt das so: Englisch sprechen alle, einige außerdem deutsch oder französisch. Wenn dann auch noch die Heimatsprachen der anderen dazukommen, hört man manchmal ein babylonisches Sprachengewirr. Probleme hat niemand damit ...

Am Mittwoch treffen sich die Teilnehmer morgens am Bahnhof. Mit dem Zug geht es nach Hamburg. Hier besuchen die Jugendlichen das Rathaus, machen eine Hafenrundfahrt, besuchen eine Ausstellung oder das Planetarium. Auch für einen Einkaufsbummel ist Zeit genug. Lisa aus Tampere hat ein T-Shirt gefunden. "Sie war schnell, nur zwei Stunden für dieses Shirt", verrät Tatu-Pekka.

Auf der Rückfahrt wird bereits der Abend organisiert. Die Fotogruppe muss noch eine Abschiedsszene am Bahnhof fotografieren. Manche wollen sich später wieder beim Billard treffen. Kaja, Lisa und einige andere planen "einen ruhigen Abend". Schließlich ist morgen das große Abschiedsfest, und davor müssen die Gruppen noch ihre Arbeiten für die Präsentation am Freitag fertig stellen.

Am Sonntag, wenn alle Gruppen wieder im ihrer Heimat gelandet sind, wird man sich erinnern: An eine eurpäische Woche voller neuer Eindrücke und Kontakte, voller Erlebnisse und Gespräche. Der alte Comenius hätte sich sicher darüber gefreut! Christian Vogeler