JUMA 1/2004 Seite 06-09

 
Nachwuchs-Spieler aus verschiedenen Bundesligavereinen bemühen sich um einen Platz in der U 19.

Die große Chance

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Korea und Japan erreichte die deutsche Herren-Nationalmannschaft den 2. Platz. Die Damen wurden 2003 in den USA sogar Weltmeister. Seitdem wollen Jungen wie Mädchen zwischen Flensburg und Passau ihren WM-Helden nacheifern. Der Nachwuchs sieht in Oliver Kahn, Michael Ballack, Miroslav Klose und Co. wieder echte Idole. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nutzt die Begeisterung, um Talente noch intensiver zu fördern. Die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land kann kommen!

Der Trainer

Heute ist ein heißer Tag. Doch nur wenige Menschen ziehen im blauen Becken des Freibads ihre Bahnen. Großer Auflauf dagegen im Flur der Sportschule Hennef: Eine ganze Schar Kinder stürzt auf die jungen Männer in Schwarz-Weiß, die gerade aus ihren Zimmern kommen. "Von dem brauche ich noch ‘n Autogramm!" - "Wer ist das ?" - "Keine Ahnung. Aber vielleicht wird der ja mal berühmt!" Das kann gut sein: Die 10-13-jährigen Teilnehmer eines Ferien-Fußballcamps treffen gerade auf die U 19, die Junioren-Nationalmannschaft des DFB der 18- bis 19-Jährigen.
Von einem wollen alle ein Autogramm, denn Dieter Eilts, der neue Trainer des Teams, ist ein bekannter Mann. Der 39-Jährige hat 390 Bundesligaspiele für den SV Werder Bremen gespielt und 31 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft. 1996 wurde er Europameister. Eilts ist neben Uli Stielike (U 21) und Horst Hrubesch (U 20) der dritte prominente Ex-Nationalspieler, der sich um eine Nachwuchs-Nationalmannschaft kümmert.
Dies ist sein erstes offizielles Treffen mit den Kandidaten für die U 19. An drei Tagen will er die 30 Spieler beobachten. Das Training leiten die Co-Trainer. Anschließend wird Eilts den Kader für die nächsten Länderspiele zusammenstellen. "Einige Neue können noch hinzukommen, und andere fallen vielleicht heraus", erklärt er. Der Grund: "Die Leistungen bei Jugendlichen sind in diesem Alter extrem schwankend." Der Weg zum Fußballprofi ist steinig, weiß der Trainer: "Der eine oder andere steht schon in der Amateurmannschaft eines Bundesligavereins, aber selbst von dort ist es noch ein weiter Weg in die Bundesligamannschaft."

Der Stürmer

Vertrauen in das eigene Talent ist sicher eine gute Voraussetzung für diesen Weg - neben technischem und taktischem Können. Einer, der das alles mitbringt, ist Mario Gomez, 18 Jahre alt. Der Sohn eines Spaniers und einer Deutschen hat seine Fußball-Karriere in einem kleinen süddeutschen Verein begonnen. "Ich war schon damals ehrgeizig und wollte immer gewinnen", erinnert sich der Fußballer, der heute im Junioren--Kader des VfB Stuttgart spielt. Als Stürmer schoss er so viele Tore, dass er mit 12 Jahren in die Bezirksauswahl kam. Der Trainer der Auswahl holte ihn und andere Nachwuchs-Fußballer zu einem anderen Verein. "Mit der Mannschaft hatten wir richtig viel Spaß - wir haben alles gewonnen", erzählt Mario.
Bei einem Turnier in Duisburg entdeckten die großen Clubs den jungen Spieler. "Es gab verschiedene Anfragen. Ich habe mich für den SSV Ulm entschieden, weil das nur eine Dreiviertelstunde Fahrt zum Training bedeutete." Ein Jahr später standen dem 16-jährigen Torschützenkönig weitere Türen offen. Mehrere Bundesligaclubs bemühten sich um ihn. Entschieden hat er sich für den VfB Stuttgart. "In der Jugendarbeit gibt es keinen besseren Verein als den VfB", nennt er als wichtigen Grund für die Entscheidung. Auch die Talentsucher des DFB erkannten Marios Fähigkeiten und holten ihn in die U 15. Seitdem gehört er zum Kreis der Junioren-Nationalspieler.
Heute wohnt Mario mit fünf weiteren Spielern im Jugendhaus des Bundesligaclubs. Ein älteres Ehepaar betreut die Jugendlichen. Achtmal in der Woche trainiert der Torjäger mit der Amateur-Mannschaft. Neben dem Fußball geht das "normale" Leben weiter. Mario besucht ein Wirtschaftsgymnasium und will im nächsten Jahr Abitur machen. Seine Schule arbeitet mit dem Verein zusammen. Darum kann Mario zweimal in der Woche auch vormittags trainieren. Natürlich muss er den versäumten Stoff nachholen.
"Profi beim VfB werden, das ist mein Traum", sagt er. Sein sportliches Vorbild ist Kevin Kuranyi, gerade zwei Jahre älter, der jetzt schon Tore in der Bundesliga schießt. Ein Stürmer, der nicht nur vor dem Tor steht, sondern auch mal selbst Bälle holt und Tore vorbereitet. "So will ich auch spielen", sagt Mario, weiß aber auch: "Eine Verletzung kann den Traum zum zerplatzen bringen. Das muss man im Hinterkopf haben." Falls es mit dem Fußball nichts werden sollte, will er studieren, zum Beispiel Sportmanagement.

Der Torwart

Tim Grothuysen ist wie Mario 18 Jahre alt und trägt das Trikot der deutschen Junioren-Nationalmannschaft. Doch er kämpft nicht um Tore, sondern will sie verhindern - als Torwart. Entdeckt wurde Tim auf der Straße. Eine Trainerin des MSV Duisburg fragte den damals 6-Jährigen, der gerade einen Ball unter dem Arm trug: "Kannst du denn damit auch umgehen?" So kam er eher zufällig in den Verein - und später ins Tor: "Es gab keinen, der da rein wollte, darum hab ich’s gemacht." Ein typischer Beginn für eine Torwartkarriere, findet der junge Mann aus Gelsenkirchen. Mit 13 Jahren wechselte Tim zum FC Schalke 04: "Der Name hat mich gelockt." Fünf Kandidaten gab es für die Position des Torwartes, und die Wahl fiel auf ihn. Seitdem trainiert er bei den "Blau-Weißen".
Die Schule läuft parallel zum Fußball. Tim besucht die gymnasiale Oberstufe einer Gesamtschule. Seine nächsten Ziele: den Abschluss machen, dann vielleicht Betriebswirtschaft studieren. "Ein zweites Standbein muss sein", sagt der Torwart. Der Einsatz in der Junioren-Nationalmannschaft ist eine große Anerkennung für Tim: "Das hat einen hohen Stellenwert, wenn man den Adler auf der Brust trägt. Es wird gewürdigt, was man bisher geleistet hat." Und es ist ein Anreiz, an den eigenen Zielen weiter zu arbeiten.
Andere Interessen müssen darum zurückstehen. Tim geht morgens um 8 Uhr aus dem Haus und kommt abends gegen 20 Uhr nach Hause. Die Schule liegt einen Kilometer vom Sportplatz entfernt. So kann er vormittags zwischen Unterricht und Training pendeln. Hausaufgaben macht er in der Mittagspause. Der Terminplan am Nachmittag: Um 16 Uhr ist Torwarttraining, ab 17.45 Uhr Training mit der Mannschaft bis 19.15 Uhr. Danach kommt noch ein spezifisches Training, zum Beispiel Muskelaufbau.
Im Moment spielt Tim bei den Amateuren. Sein Traum ist es, in die erste Mannschaft zu kommen. Er hat schon mehrere Vorbilder aus der Bundesliga gehabt. "Früher war das Andreas Köpke, jetzt ist es Jens Lehmann." Dass er einmal die Lust verlieren könnte, kann er sich nicht vorstellen. Auch ein anderer Verein kommt für ihn im Moment nicht in Frage: "Einmal Schalker, immer Schalker!"

 
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