JUMA 3/2003 Seite 37

Regeln gegen Streit und Ärger

Das neue Schuljahr beginnt mit einem Versprechen: Die Schülerinnen und Schüler der Berliner Werner-Stephan-Schule unterschreiben einen Vertrag. In diesem "Versprechen an die Schulgemeinschaft“ stehen Regeln für das tägliche Schulleben.

Per Vertrag das Zusammenleben geregelt: Schülerinnen und Schüler der Werner-Stephan-Schule

Die ersten Wochen im neuen Schuljahr sind besonders anstrengend. Denn Lee, Martin, Jenny und die anderen Klassensprecher der Berliner Werner-Stephan-Schule haben eine besondere Aufgabe: Sie entwerfen einen Vertrag. Darin stehen Regeln für das Schulleben in diesem Schuljahr.
"Versprechen an die Schulgemeinschaft“ steht über dem Vertrag. 350 Schülerinnen und Schüler gehen in die Schule im Stadtteil Tempelhof. Sie kommen aus mehr als 20 Ländern. Früher hat es viel Streit und Ärger gegeben. Auf dem Schulhof und im Treppenhaus stritt man sich. Aus Geschäften in der Nachbarschaft verschwanden Schokoriegel. Ständig klingelte irgendwo ein Handy. Die Schulverträge sollten das ändern.
"Erst diskutieren wir, was wir aus alten Verträgen übernehmen“, sagt die 16-jährige Lee, die in die neunte Klasse geht, "dann überlegen wir, was wir ändern wollen.“ Ganz am Anfang war das "Schulversprechen“ voll mit Verboten. Jetzt sucht man nach positiven Formulierungen. "Ich respektiere meine Mitschüler, egal welcher Nationalität sie sind“ oder "Ich fange keinen Streit an“, heißt es beispielsweise.
Orcan, 16 Jahre, findet den letzten Punkt besonders wichtig. Streit fängt oft bei kleinen Dingen an, hat er erfahren. Dann gehen die Leute mit Fäusten aufeinander los. "Besonders, wenn die Familie beleidigt wird“, sagt Orcan. Auch Jenny, 16 Jahre, kennt diese Situation: "Das fängt meist ganz harmlos an, und dann wird man mit schlimmen Schimpfwörtern
beleidigt.“ Lee ergänzt: "Das geht hin und her wie bei einem Pingpong-Spiel.“ Die Klassen diskutieren den Entwurf des Schulversprechens und können ihn noch ändern. „Ich verspreche mich zu bemühen, diese Regeln einzuhalten“, heißt der letzte Satz. "Mit Absicht“, erklärt Lee, "viele Schüler haben Angst die Versprechen nicht zu schaffen. Trotzdem wollen sie sich ehrlich bemühen.“ Schüler, die sich nicht an die Regeln halten, müssen zu einem Gespräch. Erst mit den Klassensprechern, dann mit den Vetrauenslehrern. Ab und zu gibt es eine Strafe, Müll aufsammeln zum Beispiel. „Wir Klassensprecher sind so eine Art Polizei. Wir achten darauf, dass die Versprechen eingehalten werden“, meint Martin, 15. "Quatsch, wir sind keine Polizei, wir sind Vertrauensleute für die anderen“, protestiert Orcan. Die Versprechen gelten auch nach der Schule, doch dort fehlt die Kontrolle. "Es kommt eben nicht jeder mit jedem aus“, entschuldigt sich Byron, 16. "Während der Schule beherrsche ich mich. Danach kann es schon mal zu Streit kommen.“