JUMA 2/2003 Seite 18-19

  Jugendzentrum für Mädchen

Es geht um Respekt

Denk darüber nach, was du verändern kannst, und tu es! So fängt das Lied an, das die Mädchen singen.
Jungs finde ich blöd, die machen nur dumme Sprüche, sagt die 17-jährige Nesreem. Wie gut, dass es das Szenenwechsel gibt! Das Jugendzentrum im Berliner Stadtteil Neukölln ist für Jungs tabu. 70 Mädchen und junge Frauen aus ganz unterschiedlichen Kulturen treffen sich dort: Deutsche, Türkinnen, Araberinnen, Polinnen, Albanerinnen und Mädchen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wenn hier auch Jungs hinkämen, würde ich nicht mehr kommen, sagt Nesreem, Tochter arabischer Eltern. Denn Jungs wissen immer alles besser. Sie lassen einen nicht zu Wort kommen, wollen immer den Anführer spielen. Das ist Nesreems Erfahrung.

So wie Nesreem geht es auch den anderen Mädchen und jungen Frauen, die täglich im Szenenwechsel sind. Was sie machen? Im Internet surfen, orientalischen Folkloretanz oder modernen Tanz einstudieren oder asiatische Selbstverteidungstechniken wie Tae Kwon Do trainieren. Sozialarbeiterinnen helfen einigen Schülerinnen bei den Hausaufgaben.

Und dann die Musik: die Mädchen können Schlagzeug lernen und in einer Band spielen. Eine Gesangs- und Schlagzeuglehrerin leitet uns an, erzählt die 16-jährige Deborah.

Deborah, Nesreem und andere haben einige Wochen lang ein Musikstück eingeübt. Sie hat sich dafür einen deutschen Text ausgedacht. Denk darüber nach, was du verändern kannst, und tu es, so fängt das Lied an.

Bei unserem ersten Treffen haben wir uns über das Thema verständigt, erinnert sich Ariane. Es sollte um Respekt gehen. Um Respekt zwischen Mann und Frau, aber auch zwischen Völkern. Die Hobby-Sängerinnen denken dabei auch an kleine Dinge. Jemanden beim Supermarkt die Tür aufhalten, das ist nicht selbstverständlich, sagt Ariane.

Gehst du auf die Straße, dann fängt der Kampf schon an, keiner will dich sehen, und auch du schaust niemanden an, heißt es in ihrem Lied. Es ist die Situation in der Großstadt Berlin. Hier leben sehr viele Menschen, aber alle gehen anonym aneinander vorbei: Jeder macht sein Ding, keiner achtet mehr darauf, was die anderen wohl denken und auch du gibst es bald auf, geht es in dem Lied weiter.

Die Mädchen aus dem Szenenwechsel wollen da nicht mehr mitmachen. Sie fordern andere auf: Schau mal, hör mal, fühlst du was, dann sag was, dann tu was. Sag, was du fühlst, tu, was du fühlst. Den ersten Auftritt mit ihrem Lied hatten sie im Szenenwechsel – nur für Mädchen natürlich. Wenig später traten sie in einem anderen Jugendzentrum auf. Dort waren auch Jungs. Die machten tatsächlich ein paar spitze Bemerkungen. Gut, dass die Mädchen aus dem Szenenwechsel solche Sprüche mittlerweile ignorieren können.

Klaus-Martin Höfer

 

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