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Das hat mit Schule nichts zu tun
Immer wenn sie runter zur Hecke geht, hofft sie, dass er auch da ist. So beginnt Dana, 15 Jahre, ihren Text über die Begegnung mit einem fremden Jungen. Es ist eine alte Geschichte heißt das Kapitel des Buches, in dem man diesen Text lesen kann. In schlichter Sprache, ehrlich und sehr persönlich schreiben hier Jugendliche ganz anders als du denkst. Das ist auch der Titel einer Anthologie1, die Dieter Bongartz, 51 Jahre, herausgegeben hat. Untertitel: Eine Generation meldet sich zu Wort. Da beschreibt ein 14-Jähriger sein Leid, als der Vater die Familie verlässt. Und wie er sich freut, als der Vater weinend zurückkehrt. Eine 16-Jährige erzählt von einem Spaziergang durch die Natur. Man liest von großen Gefühlen und schlimmen Erlebnissen, vom Tod oder von Gedanken über die Gesellschaft.
Die 120 Autorinnen und Autoren sind 14 bis 18 Jahre alt und kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dieter Bongartz, Autor von Kinder- und Jugendbüchern, hat sie bei seinen Schreibwerkstätten kennen gelernt. Doch wie bringt er Jugendliche dazu, ihr Innerstes aufzuschreiben? Ich sage denen, das hat mit Schule nichts zu tun. Hier gibts keine Noten und kein ,Thema verfehlt. Zwischendurch berate ich und es gibt Vorlesephasen. Dabei kommt es manchmal auch zu Tränen. Ich finde das gut, sagt Dieter Bongartz. Es findet dann eine Verarbeitung, eine Lösung statt. Egal, ob es um den Tod eines Pferdes geht, um die Trennung der Eltern oder um Misshandlung. Trauer zuzulassen ist etwas Positives.
Aus den gesammelten Texten entsteht ein Mosaik von Wirklichkeit, heißt es im Vorwort des Buches. Ein für mich überraschendes Bild von Jugend heute, meint der Herausgeber. Denn: Aus der Ferne werden den Jugendlichen oft schlechte schulische Leistungen, die Unfähigkeit sich anzustrengen, Orientierungslosigkeit attestiert. Dieter Bongartz hofft, dass die Texte dieses Bild verändern. Denn die Jugendlichen sind eben ganz anders als du denkst.
Renate Dobratz
1 die Anthologie - Sammlung von Texten unterschiedlicher Autoren
Sich überwinden
Ich habe Angst vor dem, was ich sage
Angst über persönliche Dinge zu reden
Angst, mich gegenüber anderen zu öffnen.
Wenn ich das nämlich tue
Sehen die anderen meine Schwächen
Und verletzen mich.
Deswegen schweige ich meist über das
was in mir vorgeht.
Das ist ein Fehler, ich weiß
Und ich will es auch überwinden.
Manchmal schaffe ich das
Zum Beispiel
indem ich einen Text wie diesen hier vorlese.
Doch die Angst ausgelacht zu werden
Sie bleibt.
Melanie 15 Jahre, in: Dieter Bongartz (Hg.),
Ganz anders als du denkst Eine Generation meldet sich zu Wort, Verlag
Sauerländer, Aarau (Ch) und Frankfurt am Main
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