JUMA 1/2003 Seite 26-30


Studium in Deutschland

Studentenfutter

Wo, wie und was essen ausländische Studierende in Deutschland? Jörg-Manfred Unger hat am Hochschulort Dresden in Mensen, Cafeterien, Studentenwohnheimen und Privatwohnungen auf die Teller und in die Töpfe geschaut und Studierende aus fünf Ländern über ihre Essgewohnheiten in der Hauptstadt Sachsens befragt.

Scheila beim Mittagessen in der "Neuen Mensa“ (großes Foto). Auf ihrem Teller: das vegetarische Gericht "Vollkorn-Spaghetti mit Tomatensoße, geriebenem Käse und Salat“.
Scheila, 30, Germanistik-
Aufbaustudentin aus Brasilien

"Ich frühstücke in der Küche einer 2-Zimmer-Wohnung, die ich mir mit einer Kommilitonin teile. Mein Frühstück besteht in der Regel aus Haferflocken, dazu gibt es Bananenshake. Mittags gehe ich manchmal in die Mensa. Dort gibt es häufig Knödel oder Kartoffeln. Die mag ich gar nicht. Deshalb koche ich mittags oder abends lieber zu Hause, zum Beispiel Reis und Gemüse wie Broccoli, Möhren und Zucchini - am besten alles zusammen als Gemüseeintopf mit viel Knoblauch, Zwiebeln und Pfeffer. In Brasilien habe ich 2-mal täglich warm gegessen. Dafür habe ich hier keine Zeit. Fleisch esse ich selten in Deutschland. Es ist hier teurer und nicht so schmackhaft wie in Brasilien. Dafür ist das Brot besser und die Brotauswahl ist größer. Schwarzbrot und Sonnenblumenbrot mit Marmelade, Quark oder Käse - köstlich! Und erst der Kuchen! Käsekuchen, Apfelkuchen, Kirschkuchen ... In den ersten Monaten habe ich in Deutschland 5 Kilo zugenommen - wahrscheinlich, weil ich anfangs alles probiert und Bier getrunken habe. Jetzt trinke ich nur noch selten Alkohol und ich wiege wieder 60 Kilo wie in Brasilien.“

Am Frühstückstisch sitzen er und seine Mitbewohner Darcy und Nef (von links nach rechts).
Benoît, 21,
Informatikstudent aus Frankreich

"Ich bin Franzose, aber ich studiere seit einem Jahr in Boston in den USA. In Dresden bin ich für ein Semester. Ich wohne hier in einem Studentenwohnheim und teile mir mit 3 Kommilitonen eine Wohnung. Dort bereite ich mir morgens in der Küche mein Frühstück zu. Selten habe ich dafür länger als 5-10 Minuten Zeit. Ich nehme fertigen Instant-Cappuccino, auf den ich nur heißes Wasser schütten muss. Dazu gibt es Cornflakes mit frischer Milch. Sie ist in den USA besser, denn da gibt es spezielle Frühstücksmilch. Nach dem Abitur habe ich ein Jahr lang in Thailand gelebt. Dort gab es morgens zum Frühstück Tintenfischsuppe. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen! So gesehen hat mich das Essen in Deutschland wenig überrascht. In Dresden esse ich mittags häufig in der Mensa. Das Essen dort ist gut und billig. In den USA kostet das gleiche Mensa-Essen 4-mal so viel. Außerdem stehen hier immer wieder typisch deutsche Gerichte auf dem Speiseplan. Ich persönlich finde zum Beispiel Schweinebraten mit Rotkohl und Klößen sehr originell. Oft esse ich auf die Schnelle einen Döner, den man in Dresden für wenig Geld fast an jeder Ecke bekommt. Wenn ich mal ausgehe, dann abends mit Freunden ,zum Italiener‘. Pizza mag ich nämlich ziemlich gerne! 2-3-mal in der Woche kochen wir übrigens zu viert oder zu fünft gemeinsam im Studentenheim. Gestern gab es scharf gewürztes Huhn auf Reis. Es hat hervorragend geschmeckt! Was mir in Deutschland fehlt? Frisches Baguette wie in Fankreich!“

Adcharawans Freundin Sirinapa (auf dem großen Foto rechts) ist zu Besuch gekommen. Adcharawan hat für sie und sich Thai-Suppe, Schweinefleisch mit Kokosmilch, Curry, Zwiebeln und Kartoffeln auf Reis gekocht (auf dem Teller unten).
Adcharawan, 25, Germanistik-Studentin aus Thailand

"Mein Frühstück besteht aus Müsli, Brot, Käse und Pfefferminztee. Mittags steht oft Aufgewärmtes vom Vorabend auf dem Tisch. In meiner Wohnung koche ich nämlich fast jeden Abend selbst, am liebsten thailändisch oder asiatisch - vegetarisch oder mit Hühner- oder Schweinefleisch, Reis, Sojasoße, Kokosmilch, Austernpilzen, Erdnüssen und Zitronengrasblättern. Tagsüber trinke ich zwischendurch in der Cafeteria der Uni Tee oder Kakao und ich esse ein Käsebrötchen mit Tomaten oder einen Salat dazu. Kartoffeln und Klöße mag ich nicht so gerne, dafür habe ich in Deutschland meine Liebe zu Schokolade entdeckt. Leider ist das meiner Figur gar nicht gut bekommen, so dass ich jetzt auf die Kalorien achte. Ich bin viel in Deutschland herumgereist und habe dabei überall andere Spezialitäten entdeckt: Weißwurst in Bayern, Krabbenbrötchen in Norddeutschland, Spätzle in Schwaben ... Klar, dass ich alles probiert habe! Vom deutschen Sprichwort "Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht“ halte ich nämlich nicht viel. Deutsche Tischsitten finde ich teilweise sehr anstrengend, zum Beispiel soll man die Kartoffeln auf dem Teller nicht mit dem Messer schneiden. In Thailand nehmen wir uns mehr Zeit zum Essen und wir genießen das Essen mehr.“

 
Natascha mit den Maschinenbau-Studenten Zura (Mitte) und Giga aus Georgien im Garten der "Alten Mensa“. Sie haben sich ihren Imbiss an der Selbst-bedienungstheke geholt.
Natascha, 29, Deutsch-als-Fremdsprache-Doktorandin aus Weißrussland

"Ich sitze hier mit Giga und Zura aus Georgien im Garten der Alten Mensa. Giga studiert Jura und Zura Maschinenbau. Sie nehmen an einem Austauschprogramm teil. Wir haben uns an der Selbstbedienungstheke der Mensa einen gemischten Salat mit Schafskäse, russischen Zupfkuchen mit Quark und Schokolade und ein Brötchen mit Putenbrust geholt. Es ist mit Gurke, Petersilie und Paprika garniert. Meine Essgewohnheiten haben sich in den 7 Jahren, in denen ich schon in Deutschland bin, sehr verändert: Ich habe mich daran gewöhnt, viele belegte Brötchen und oft Salat zu essen. In meiner Heimat habe ich dagegen 3-mal täglich warm gegessen. In Dresden nehme ich nur einmal am Tag eine warme Mahlzeit zu mir, meistens mittags. Hinzu kommt der Uni-Stress, so dass ich in Deutschland bis jetzt 5 Kilo abgenommen habe. Was ich in Deutschland toll finde, ist die große Auswahl ausländischer Spezialitäten-Restaurants. Man kann hier problemlos spanisch, französisch, italienisch, chinesisch, türkisch oder griechisch essen. Was mir fehlt, sind Buchweizen und russische Pelmeni (Teigtaschen mit Fleischfüllung), die ich in meiner Heimat so gerne esse. Dafür gibt es hier Linsen und Wiener Würstchen. Kein schlechter Ersatz!“

 
Heute isst Sascha im Wohnzimmer ihrer Gast-familie zu Mittag. Es gibt Saschas Lieb-lingsessen: Maultaschen.
Sascha, 19,
Ökonomie-Studentin aus der Ukraine

"Ich studiere ,Internationale Wirtschaft‘ in Kiew. Zur Zeit bin ich für ein Jahr lang Aupairmädchen in einer deutschen Familie, die sehr nett ist, und gleichzeitig Gaststudentin an der Technischen Universität Dresden. Ich frühstücke meistens mit meiner Gastmutter Christiane und den Kindern Kathrin und Stefan im Wohnzimmer. Dann trinke ich Tee und ich esse Knäckebrot mit Frischkäse. Hinterher gibt es einen Joghurt. Mein Lieblingsessen sind schwäbische Maultaschen6, die ich hier entdeckt habe. Meine Gastmutter kommt nämlich aus Ulm. Warmes Essen gibt es in der Regel abends - dann sitzt die ganze Familie am Tisch; mittags mache ich mir schon mal Rührei oder ich esse eine Suppe. Das Gemüse ist in Deutschland nicht so gut wie in der Ukraine. Tomaten und Gurken zum Beispiel riechen nicht nach Tomaten und Gurken und sie schmecken ziemlich fade. Wahrscheinlich kommen sie aus dem Gewächshaus. In einem Restaurant habe ich einmal Gulasch mit Apfelmus bestellt. Das fand ich ziemlich merkwürdig, weil es eigentlich nicht zusammen passt. Aber es hat ausgezeichnet geschmeckt! Brot esse ich übrigens selten und Süßigkeiten esse ich nie, weil ich Angst habe zuzunehmen. Deshalb jogge ich auch jeden Morgen 40 Minuten und ich esse viel Salat.“