JUMA 1/2003 Seiten 32-34


  Archäologie

Spuren der Vergangenheit

Wer sich für Geschichte interessiert, die nicht nur in Büchern steht, sollte sich mit der Archäologie beschäftigen - wie Verena und Kai, die wir euch hier vorstellen.

Verena gräbt in einem Braunkohlegebiet nach Spuren. Bald kommt der Bagger, und es bleibt nur ein riesiges Loch. Kai macht ein Praktikum im Archäologischen Park in Xanten. Hier kann man die römischen Ausgrabungen auch besichtigen.
Zu Besuch in der Antike

Es ist um 100 nach Christus: Am Niederrhein liegt die römische Stadt Colonia Ulpia Traiana. Zehntausend Menschen leben dort. In der Fremde wollen die Römer nicht auf ein angenehmes Leben verzichten. Jeden Nachmittag begeben sich die Bürger in die Therme der Stadt. Durch überdachte Gängen gelangen sie bequem zu den Heiß-, Warm- und Kaltbädern. Dort sorgen Sklaven für den Komfort. Masseure und Haarauszupfer bieten ihre Dienste an. Von den damaligen Badegästen und ihren Bediensteten sind heute noch Fußspuren zu erkennen. Manchmal findet sich sogar ein Ring. Nach Jahrhunderten taucht das verloren gegangene Schmuckstück bei einer Grabung wieder auf ...
Wo einst die Römer wandelten, befindet sich Kais Arbeitsplatz. Bis zum Kopf steckt der Schüler im Graben des ehemaligen Portikus (röm.Säulenhalle). Dort trägt er vorsichtig mit dem Spaten das Erdreich, den Mutterboden, ab. Hinter ihm erhebt sich ein riesiger Glasbau. Darunter liegen die Überreste der Therme, geschützt vor der Witterung. Für drei Wochen macht Kai, 15 Jahre, ein Praktikum im Archäologischen Park in Xanten. "Geschichte ist mein Lieblingsfach, gleich nach Sport“, erklärt der Schüler. "Als ich von meiner Lehrerin erfuhr, dass man auch hier sein Praktikum machen kann, habe ich mich sofort beworben.“ Seitdem hat er zahllose römische Scherben ans Licht befördert, sie gewaschen und registriert und die Fundstelle markiert. "Dass man hier noch so viel findet, hat mich überrascht“, sagt er. Der große Fund blieb jedoch aus. "Insgeheim hofft man natürlich, etwas Wichtiges auszugraben. Aber hier sucht man vor allem nach Fundamenten, um zu erfahren, wie die Römer in Xanten lebten.“ Eine Vorstellung von diesem Leben erhält man, wenn man den Park besucht. Dort steht hinter einem römischen Wall die Rekonstruktion einer riesigen Tempelanlage und die einer Arena. Nicht weit davon entfernt können die Besucher in einer "Taverne“ römische Gaumenfreuden kosten. Kai ist froh, dass er nicht unter den Römern leben musste: "Da hat man schon in meinem Alter arbeiten müssen.“ Auch wenn ihn die Vergangenheit fasziniert: Beruflich möchte er nichts mit Geschichte machen. Kai möchte sich als Kommissar auf Spurensuche begeben.

Graben, bis der Bagger kommt: Das ist Verenas Arbeit. Viele Schätze liegen noch im Boden. Die Archäologen hoffen noch auf viele interessante Funde.
Im Kampf mit den Bagger

Auch wenn die Arbeit in der Hitze beschwerlich ist: Verena, 19 Jahre, gibt nicht auf. Mit einer kleinen Kelle sucht sie den Boden Zentimeter für Zentimeter nach Fundstücken ab. Rote Kreise und schwarze Flächen zeichnen sich ab. "Hier muss einmal ein Pfahlhaus gestanden haben. Die Kreise deuten auf die Pfosten hin“, sagt Verena, bückt sich und markiert die Stelle. Sie muss sich beeilen. Hinter ihr drehen sich die Förderbänder des mächtigen Schaufelradbaggers der Rheinbraun AG. Die Grabungsstelle liegt am Rande des Tagebaus (1). Unaufhaltsam frisst sich der Riese durch die Erde. Dabei vernichtet er Bäume, Häuser, Straßen und auch die Spuren der Vergangenheit. "Jährlich gräbt man 360 Hektar Fläche ab. 5 Prozent davon können wir erforschen.“ sagt Dr. Udo Geilenbrügge, Verenas Chef.
Verena ist seit einem halben Jahr beim Landschaftsverband Rheinland. Sie kommt aus Bergheim. Das Städtchen liegt mitten in einem Braunkohlenrevier. Die Umgebung, in der Verena aufwuchs, gleicht heute einer Mondlandschaft. Wo jetzt ein großes Loch ist, lebten schon in der Stein- und Eisenzeit Menschen. Später folgten Römer und Franken. Für die Archäologen ist das Braunkohlenrevier wie eine riesige Schatzkammer. Jährlich werden hier 200 000 Fundstücke registriert.
"Nach der Schule wollte ich etwas Sinnvolles machen. Am liebsten draußen, unter freien Himmel“, erzählt Verena. Ihren wichtigsten Fund machte sie schon am ersten Tag. "Es war eine Glasperlenkette aus der Jungsteinzeit. Plötzlich lagen die Perlen vor mir im Sand.“ Gereinigt und registriert kam der Schmuck vorerst in ein gesichertes Magazin. Vielleicht wird Verena ihn später einmal in einem Museum wiedersehen.
Petra Kroll

1 Tagebau - Bergbau an der Erdoberfläche