JUMA 4/2002

  Hobby mit Pfiff

Bei der Berliner Parkeisenbahn haben junge Leute das Sagen

Zum Fuhrpark der Berliner Parkeisenbahn gehören 3 Dieselloks und 4 Dampfloks. Sie müssen ständig gewartet werden, damit sie funktionieren
Eine Fahrkarte bis zum Bahnhof Freilichtbühne? 1 Euro 50!“ Der Fahrkartenverkäufer nimmt den 5-Euro-Schein und gibt dem Fahrgast 3 Euro 50 Wechselgeld. Dann verlässt er sein Schalterhäuschen und ruft: „Einsteigen bitte!“ Der Fahrgast steigt in den Zug, der am Bahnsteig wartet. Eine Aufsichtsperson bläst mit voller Kraft in ihre Trillerpfeife. Der Fahrdienstleiter gibt das Signal zur Abfahrt. Eine Dampflokomotive aus dem Jahre 1925 setzt den Zug mit lautem Getöse in Bewegung. Der Fahrkartenverkäufer heißt Jan und ist 13. Die Aufsichtsperson heißt Erik und ist 17. Der Fahrdienstleiter heißt Daniel und ist 16. Der Fahrgast heißt Silvio und ist 15. Er ist auf dem Weg zum Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in Berlin, wo für Kinder und Jugendliche immer jede Menge los ist: Theater, Konzerte, Sportveranstaltungen ... Von der S-Bahn-Station Wuhlheide erreicht man das FEZ am besten mit der Berliner Parkeisenbahn (BPE), die fast ausschließlich von Kindern und Jugendlichen betrieben wird – in Uniformen nach Mustern der alten Deutschen Reichsbahn.
Die jungen Eisenbahner arbeiten am Wochenende über 9 Stunden am Tag.
Von März bis Oktober heißt es hier dienstags bis donnerstags und am Wochenende: „Die Fahrkarten bitte!“ Für die über 180 Kinder und Jugendlichen ist die Bewirtschaftung des 7,5 Kilometer langen Schmalspur-Streckennetzes ein Riesenspaß. Sie arbeiten wie Erwachsene als Zugschaffner, Schrankenwärter, Aufsichtspersonen, Zugführer oder Fahrdienstleiter. Die meis-ten sind unter 18, nur die Lokführer sind älter. 6 Monate lang haben alle mindes- tens 2–3 Stunden Ausbildung pro Woche absolviert. Niemand bekommt für seine Arbeit einen Lohn: Jeder bezahlt sogar einen Jahresbeitrag, um dabei zu sein. Ein normaler Wochenenddienst dauert von 9 bis 18 Uhr. Samstags und sonntags befördern 2 Züge über 400 Fahrgäste am Tag – ein anstrengendes Hobby! Der Fahrbetrieb erfordert dann mindestens 25 „Mann“ (oder Mädchen, von denen es zum Verdruss der Jungen viel zu wenige gibt).
Die BPE hält guten Kontakt zu ähnlichen Betrieben in aller Welt. Der alljährliche Austausch mit Gleichgesinnten von der Ungarischen Kindereisenbahn in Budapest zum Beispiel hat inzwischen Tradition. Sponsoren wie die Berliner S-Bahn unterstützen die Berliner Parkeisenbahn, denn sie ist nicht nur eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, sondern auch eine gute Berufsvorbereitung: Viele junge Berliner Parkeisenbahner wollen später bei der S(chnellbahn)-Bahn, bei der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) oder bei der Deutschen Bahn (DB) arbeiten. Sie rechnen sich wegen ihres Engagements in Wuhlheide gute Chancen aus. Manche bleiben ihrem Hobby Parkeisenbahn auch als Erwachsene treu. So wie Ausbilder Andreas, 29, der im Hauptberuf Lokführer bei der Berliner S-Bahn ist.
Jörg-Manfred Unger