JUMA 4/2002

  „Woran denkt man zuerst, wenn man Krebs hört? Sicher nicht, dass er lecker schmeckt.“ Schreibt Burkhardt. Burkhardt ist 16, als er an Knochenkrebs erkrankt. Zwei Jahre später verarbeitet er seine Krankengeschichte in einem Buch.

Durchgekommen

Wut auf die Krankheit, auf die Ärzte, auf die Chemotherapie – darüber schreibt Burkhardt mit großer Intensität in seinem Buch.
Ein Einfamilienhaus am Rande von Berlin. Burkhardt wohnt noch bei seinen Eltern. Ein Zimmer unter dem Dach, die Wände in Reggaefarben gestrichen. Gegenüber vom Bett steht eine Profimusikanlage im Regal. Daneben der Schreibtisch mit dem Computer. Es ist der 20.1.2000, kurz vor Mitternacht, als sich Burkhardt an seinen PC setzt und beginnt, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Im letzten Jahr hat er seinen Realschulabschluss gemacht. Er will Informatiker werden. Doch auf seine Bewerbungen erhält er nur Absagen. Sein Abschlusszeugnis sei einfach zu „mies“, hält er fest. Um aber ein Buch zu schreiben und Schriftsteller zu werden, braucht man keinen guten Notendurchschnitt... In nur sieben Wochen ist „Durchgekommen“ fertig. So nennt er seinen Roman, der im letzten Jahr erschienen ist. Burkhardt ist noch keine 16, als er sich beim Fußballtraining das Knie verletzt. Was anfangs wie eine harmlose Sportverletzung aussieht, entwickelt sich schnell zum persönlichen Drama, mit Chemotherapie und langen Krankenhausaufenthalten. Die vernichtende Diagnose seiner Ärztin lautet „Knochenkrebs“. Während Gleichaltrige Pickel kriegen und sich zum ersten Mal verlieben, wird Burkhardt mit dem eigenen Tod konfrontiert. „Ich stelle mich vor den Spiegel, der an der Wand hängt, und gucke mich an. Sehe mein bleiches, ausdrucksloses Gesicht. Sehe meine pure Angst. Sehe den Tod vor mir“, schreibt er in seinem Buch.
Über ein Jahr ist er krank. Eine Zeit, in der er nicht zur Schule geht. Die Kontakte zu seinen Freunden reißen ab. Die meisten wissen nicht, dass er Krebs hat. „Bester Freund, was ist das?“, schreibt er. „Wir haben auf Fußballplätzen rumgehangen. Scheiße miteinander gemacht. Da erzählt man sich nicht: He du, ich hab Krebs.“ Er redet noch nicht einmal mit seinen Eltern über seine Gefühle. Erst mit dem Schreiben bricht er sein Schweigen. „Ich wollte kein Mitleid“, sagt er. „Ich wollte keine Liebe, ich wollte auch keine Geborgenheit, ich wollte einfach nur alleine sein. Alleine mit mir selbst.“
Der Schock, an Krebs erkrankt zu sein, sitzt tief. Immer noch! „Nur schreiben hilft“, findet Burkhardt. Inzwischen ist er 19 Jahre alt und gilt als geheilt. Zweimal im Jahr geht er zu Kontrolluntersuchungen ins Krankenhaus. Er schreibt inzwischen an seinem zweiten Buch. Der Krebs ist nicht zurückgekehrt. Und in diesem Jahr erscheint „Durchgekommen“ - wegen seines Erfolges - in zweiter Auflage.
Petra Kroll