JUMA 3/2002

  Achtung! Zickenalarm

Nein, es ist kein Druckfehler. In großen Buchstaben steht es da. "Zicke“ ist auf dem T-Shirt des Mädchens zu lesen, das gerade das Café betritt. Eigentlich ist "Zicke“ eine Beleidigung. Männer beschimpfen Frauen gern als "Zicken“ (Ziegen), die sie für überspannt und eigensinnig halten. Doch im letzten Sommer kam das Wort als T-Shirt-Logo groß in Mode.

Zicken gelten als selbstbewusst - nichts für Jungs, die sich schnell einschüchtern lassen!
Seitdem outen sich viele Mädchen als Zicke. Überall tauchen sie auf. Manchmal sogar scharenweise, wie auf Konzerten oder ähnlich großen Veranstaltungen. Wie es zum Imagewechsel der Zicke und damit zum Massenauftritt kam?
Jana und Sarah, beide 19 Jahre alt, sind überzeugte Zicken, denn sie finden: "Es ist durchaus positiv, eine Zicke zu sein.“ Doch eine wahre Zicke, so die beiden, erkennt man nicht unbedingt an der Kleidung. Vielmehr kommt es auf das Auftreten an. "Zicken sind selbstbewusster und sagen, was sie wollen“, meinen sie. - Beide studieren, Jana Betriebswirtschaftslehre, Sarah Regionalwissenschaften Ostasiens. Das Studium wollen sie "so schnell es geht“ ab- schließen, um sich dann einen guten und lukrativen Job zu sichern. "Entweder im Tourismusbereich oder in der Unternehmensberatung“, überlegt Jana. Sicherlich sei das ein hartes Geschäft. "Aber ich bin bereit viel zu arbeiten. Vorausgesetzt ich verdiene entsprechend viel Geld.“
Um später einmal bessere Chancen im Beruf zu haben, zieht es beide ins Ausland. Sarah würde gern nach China gehen. Dafür lernt sie schon mal Chinesisch. Jana dagegen möchte nach ihrem Studium ein Jahr in Japan verbringen. An der Uni hat sie Japanologie als zweites Fach belegt. Bei diesen Plänen bleibt der Wunsch nach Familie erst einmal außen vor. "Später vielleicht mal“, überlegen sie. "Nicht zwingend“, entscheidet Jana. Geld verdienen und die berufliche Karriere sind ihr wichtiger. Zur Zeit jedenfalls noch!
Mit dieser Meinung und ihren beruflichen Vorstellungen stehen die beiden nicht allein. Sarah und Jana sind typische Vertreterinnen einer neuen Frauengeneration. Mit der befasste sich auch ein großes deutsches Nachrichtenmagazin. Unter dem Titel "Die heimliche Revolution“ nahm die Zeitschrift die Lebensanschauungen der 15- bis 25-Jährigen unter die Lupe. "Motiviert, selbstbewusst, pragmatisch und mit großer Klappe stellen sich die 15- bis 25-Jährigen der Zukunft“, konnte man in dem Artikel lesen. Ist das Selbstverständnis der Zicken als eine neue Art von Frauenpower zu verstehen? Jana und Sarah sehen es jedenfalls so. "Wer sich nicht traut, geht unter“, meinen sie. Besonders als Frau.
Sarah erinnert sich: "Frü-her war ich ganz anders. Ich war sehr schüchtern und habe mich nicht so richtig getraut, meine Meinung zu sagen. Heute sage ich, was ich denke. Dadurch erreiche ich viel mehr.“ - "Die Welt ist egoistischer geworden. Man muss lernen sich durchzusetzen“, steht ihr Jana bei. "Besonders im Beruf müssen sich Frauen immer noch stärker behaupten als Männer. Denn sie verdienen immer noch weniger Geld als Männer E in derselben Position“, begründet sie ihre Meinung. Manchmal müsse man sich allerdings auch mit seiner Meinung zurückhalten können. Und abwägen, mit wem man gerade spricht. "Bei Leuten, von denen man abhängig ist, wie beispielsweise Lehrer, hat man meistens sehr schlechte Karten“, schildern die beiden ihre Erfahrungen. Das Fazit, das sie ziehen, lautet deshalb: "Auch eine Zicke muss ihre Grenzen kennen.“
Was für den Beruf gilt, ist natürlich auch für die Freizeit maßgebend. Gelebt wird auch hier nach der Devise: "Jetzt bin ich erst einmal dran.“ So geht es den Mädchen in erster Linie darum, Spaß zu haben. Fast alles ist erlaubt. Normen und Vorgaben, wie sie die Lebensentwürfe ihrer Mütter und Großmütter vorsahen, gibt es nicht mehr. "Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen“, findet Sarah. "Und wenn ich an einer Sache keinen Spaß habe, engagiere ich mich auch nicht richtig. Dann wird das meistens nichts.“ Nur ungern lässt sie sich bei Entscheidungen reinreden. "Ja, ich hab’ schon meinen eigenen Kopf“, fügt sie nach einer kurzen Überlegung hinzu.
Und was denken die Jungen bei soviel weiblichem Selbstbewusstsein? "Die meisten gucken etwas skeptisch, wenn sie auf selbstbewusste Mädchen treffen!“, berichten die Studentinnen. Zugleich aber fühlen sich viele von dem selbstsicheren Erscheinungsbild der Mädchen angezogen. Denn: "Unselbstständige Frauen wirken doch wie Mauerblümchen“, verkünden sie kess. Ganz im Stile einer Zicke! Deshalb sei es auch durchaus attraktiv, eine Zicke zu sein, meinen sie. Ein bisschen Koketterie ist eben auch im Spiel. Und weil das so ist, hat der Handel als Antwort das passende T-Shirt für Jungen entwickelt. Auch dieses Mal besteht das Logo nur aus einem Wort. "Zickenbändiger“ ist auf dem Hemd zu lesen. Die Zielgruppe: mutige Jungs, die eine Herausforderung suchen!
Text: Petra Kroll , Foto: Martin Menke