JUMA 3/2002
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S t u d i u m i n D e u t s c h l a n d
Ein Semester fern der Heimat Jean-Baptiste, 22, ist Franzose. Er studiert in Frankreich Maschinenbau. Ein Semester verbringt er mit einem Stipendium der Europäischen Union (EU) an der Ruhr-Universität Bochum. Sie ist die Partneruniversität seiner Heimat-universität Belfort, die das Semester im Ausland organisiert hat. Die ersten Schritte an seinem Studienort in Deutschland sind voller Überraschungen und Abenteuer für ihn. Studium mit Service Jean-Baptiste wählt die Nummer des ESN. Am Telefon ist Hanna, 23. Sie sagt: "Ich hole dich ab und bin gleich da! Jean-Baptiste beobachtet die Menschen, die kommen und gehen. Bei manchen fragt er sich, ob das Hanna ist. Er weiß nämlich nicht, wie sie aussieht - und sie weiß nicht, wie er aussieht. Schließlich kommt eine junge Frau direkt auf ihn zu. "Hallo, sagt sie, "ich bin Hanna. Jean-Baptiste ist erstaunt. Wie hat sie ihn erkannt? "Kein Problem, meint Hanna, "ich erkenne jeden ausländischen Studierenden, der hier ankommt! Gemeinsam gehen sie zum Parkplatz vor dem Bahnhof. Dort wartet Christian, 25, in einem alten Mercedes. Er ist Maschinenbau-Student wie Jean-Baptiste. Christian legt das Gepäck in den Kofferraum. Alle drei fahren zum Studentenwohnheim, in dem Jean-Baptiste die nächsten 6 Monate wohnen wird. Es heißt "Haus der Nationen. Die Universität hat hier ein Zimmer für ihn reserviert; als Erasmus-Stipendiat brauchte er sich darum nicht zu kümmern. Die Fahrt dauert länger, als Jean-Baptiste dachte: Die Ruhr-Universität ist eine Campus-Universität und liegt wie das Studentenwohnheim außerhalb der Stadt - ein Vorteil für Jogger wie Jean-Baptiste. Schnelle Integration Als sie ankommen, ist es draußen dunkel. Viele Fenster des Studentenwohnheims sind hell erleuchtet. Jean-Baptiste sieht die Bewohnerinnen und Bewohner beim Lesen, beim Fernsehen oder in gemütlicher Runde sitzen. Sein Eindruck: "Sehr einladend! Mit dem Aufzug geht es in den 4. Stock. An der Wohnungstür hängen 3 Namensschilder. Auf einem steht Chris, auf dem anderen Thomas. Neben jedem Namen steckt ein kleines deutsches Fähnchen. Jean-Baptiste wird die französische Trikolore neben sein Namensschild stecken. So sieht jeder, woher er kommt. Im "Haus der Nationen wohnen ausländische Studierende mit deutschen zusammen. Jean-Baptiste findet das "nicht nur wegen der Sprache prima: "So lernt man sofort Deutsche kennen! Alle haben ein eigenes Zimmer; jeweils drei Studierende teilen sich eine Küche, eine Toilette und ein Bad. Das Zimmer von Jean-Baptiste ist groß und sauber. Es gibt sogar einen kleinen Balkon. Das Bett ist gemacht. Trotzdem ist er ein bisschen enttäuscht, weil seine Mitbewohner nicht zu Hause sind: Sie verbringen die vorlesungsfreie Zeit bei ihren Eltern. Jean-Baptiste lädt sein Gepäck ab und schon geht es wieder los. Internationale Gruppe Hanna und Christian nehmen ihn mit in die "Vorlesung. Das ist eine Studentenkneipe. Sie ist um diese Zeit gut besucht. Jean-Baptiste unterhält sich mit deutschen Kommilitonen über Unterschiede des Studiums in Frankreich und in Deutschland: "In Frankreich haben wir 35 Unterrichts-Stunden pro Woche, in Deutschland sind es nur 20. Er bekommt von seinen Gesprächspartnern erste Tipps für das Leben in Bochum. Jean-Baptiste liegt erst lange nach Mitternacht im Bett ... Am nächsten Morgen trifft er sich um 9 Uhr mit anderen Studierenden des Erasmus-Programms im Akademischen Auslandsamt. Sie kommen aus Frankreich, aus Italien, aus Portugal, aus Tschechien, aus Polen, aus Großbritannien, aus Spanien, aus Japan und aus den Niederlanden. Das Akademische Auslandsamt hat alle Formalitäten wie die Anmeldung bei der Polizei oder die Einschreibung an der Universität für sie erledigt. Die Gruppe nimmt an einem 3-wöchigen Orientierungskurs teil - mit Theaterbesuchen, Musikabenden, der Besichtigung von Städten wie Köln und Essen und einem Sprachkurs. Alle müssen deshalb eine Sprachprüfung machen. Jean-Baptiste kommt in die höchste Sprachniveau-Gruppe. Nun warten Themen wie "Aussprachetraining, "Hörverständnis, "Lesestrategien oder "Reden in Studium und Alltag auf ihn. Am Ende wird er "Fortschritte vor allem beim Wortschatz gemacht haben. Mittags geht es in die Mensa. Hier essen die Studierenden für wenig Geld. Jean-Baptiste lobt die Auswahl und die Qualität des Essens, "sogar an die Vegetarier hat man gedacht! Als Vorspeise wählt er einen Salat; Hauptgericht ist ein Stück Fleisch mit Kartoffeln und Gemüse; zum Nachtisch gibt es Quark mit Früchten. Am Nachmittag hat er endlich Zeit, seine Sachen auszupacken. Auf Entdeckungstour Am nächsten Tag steht eine Stadt-Rallye auf dem Programm: In kleinen Gruppen erkunden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Orientierungskurses Bochum. Jean-Baptiste ist mit Elisa und Luisa aus Spanien sowie mit Luisa aus Portugal unterwegs. Sie befragen Leute auf der Straße. Dabei erfahren sie zum Beispiel, dass das Kneipenviertel in Bochum Bermuda-Dreieck heißt. Privat will der junge Franzose demnächst noch nach Xanten fahren. Am Ende hat der Orientierungskurs Jean-Baptiste viel gebracht: "Ich finde mich jetzt allein in Bochum und an der Uni zurecht, nun kann das eigentliche Studium beginnen. Morgen hat er einen Termin bei seinem persönlichen Betreuer. Er ist Professor an der Fakultät für Maschinenbau. Mit ihm wird Jean-Baptiste die Inhalte seines Studiums in Bochum festlegen und die Kurse zusammenstellen, damit das Semester in Bochum an seiner Heimatuniversität anerkannt wird. Jörg-Manfred Unger |