JUMA 3/2002

  Straßenfußball in Brandenburg

Für faires Spiel gibt’s Extrapunkte

Der rote Ball klatscht auf die Sitzbank. Doch Stefan verfehlt das kleine Tor nur um Zentimeter. Zeit zum Ärgern hat er nicht. Denn das Spiel in der Halle ist schnell. Rundherum begrenzen umgekippte Holzbänke das Spielfeld; so wird mit "Bande“ gespielt. Die beiden Tore sind Teile aus Kästen, die man sonst für Turnübungen verwendet. Wenn das Wetter besser ist, spielen die Teams draußen - überall, wo Platz ist. Gespielt wird mit einem besonderen Ball. Er ist kleiner als ein normaler Fußball und springt nicht so hart auf. Darum kann man ihn gut flach spielen.
Der Ball ist nicht der einzige Unterschied zum üblichen Fußball. Denn es gelten die besonderen Regeln des Brandenburger Straßenfußballs. In jedem Team müssen mindestes zwei Mädchen mitspielen. Nur, wenn ein Mädchen ein Tor erzielt, zählen auch die anderen
Tore. Die 16-jährige Julia findet das gut: "Früher haben die Mädchen immer nur am Spielfeldrand gesessen und zugeguckt; jetzt ist das anders.“ Vor allem nicht mehr so langweilig. Die Jungs lernen, dass Mädchen auch Fußball spielen können. "Die Jungs spielen oft in richtigen Fußballvereinen; deswegen sind die natürlich besser“, erzählt Julia.
Die Jungen finden es gut, Fußball etwas anders zu spielen. "Bei den Turnieren kann man ganz gut Mädchen kennen lernen“, erzählt der 18-jährige Basti. Wenn am Wochenende oder abends gespielt wird, kommen oft neue Mitspieler dazu, erzählt der 18-jährige Nicky. "Früher waren wir immer die gleiche Clique“, sagt Julia. Jetzt trifft sie auch Jugendliche , mit denen sie vorher nie Kontakt gehabt hat - aus einer asiatischen Familie oder aus anderen Stadtteilen der Stadt, in der Julia und ihre Clique wohnen.
Das haben die Organisatoren auch so gewollt: Der Fußball steht an erster Stelle. Doch daneben sollen die Jugendlichen auch Leute kennen lernen, mit denen sie sonst nichts zu tun haben. Sie sollen lernen zu diskutieren, anderen zuzuhören, deren Meinungen zu akzeptieren oder zu verhandeln.
Denn das ist nötig bei den Regeln des Brandenburger Straßenfußballs: Gespielt wird ohne Schiedsrichter, ohne Torwart und in gemischten Mannschaften. Vor jedem Spiel vereinbaren die Teams weitere Regeln. "Beispielsweise, dass bei jedem Tor alle Spieler klatschen oder zusammen eine ,Welle‘ machen, wie die Zuschauer in einem Stadion“, erläutert Nicky.
Gewertet werden nicht nur Tore, sondern auch Punkte für faires Spiel. Bei unfairem Spiel diskutieren die Teams sofort, ob es Freistoß gibt. "Dabei dürfen sie nicht zu langsam sein“, sagt Nicky. Wird länger als zwei Minuten diskutiert, gibt es Punktabzug. Und vor allem ist dann weniger Zeit da, um tatsächlich Fußball zu spielen.
Denn dafür treffen sich die Jugendliche ja eigentlich. Einige Jungs fanden die neuen Regeln zunächst ziemlich lästig. Heute finden die meisten den "Brandenburger Straßenfußball“ toll - mehrere tausend Kinder und Jugendliche im Land spielen mittlerweile nach den neuen Regeln.
Klaus Martin Höfer

Links zum Thema:
www.strassenfussball.de
www.bildung-brandenburg.de