JUMA 3/2002

  In vielen ländlichen Gebieten gibt es Bibliotheken auf Rädern.

Unser Bücherbus

Der Bücherbus fährt durch den Märkischen Kreis. Er hält an 88 Stellen. Die meisten Gäste sind Jugendliche. Sie lesen am liebsten Bestseller. Karen Eichler und Manfred Böhnert kümmern sich um die Besucher. Sie kennen die meisten Leserinnen und Leser persönlich.
Endlich taucht der orangefarbene Bus in der Ferne auf. Wie gewohnt rollt er durch die Siedlung auf den großen Platz neben den Sportanlagen und parkt dort. Die hydraulische Tür öffnet sich. Schon steigen die ersten "Kunden“ ein. Manfred Böhnert, der den Bus auch fährt, und seine Kollegin Karen Eichler haben gerade erst hinter einer Art Tresen Platz genommen. Schon stapeln sich Bücher und Computerspiele vor ihnen.
Die Handgriffe sitzen: Karteikarten werden gesucht, abgestempelt und einsortiert. Kurz darauf wandern die zurückgegebenen Bücher und CD-Roms wieder in eins der Regale, die an den Seitenwänden des Busses vom Boden bis zur Decke reichen. Hier sind bereits Kinder und Erwachsene fleißig beim Stöbern. Neues Lesefutter (1) wird gesucht, das vier Wochen reichen muss. Erst dann kommt der orange Buchtransporter wieder.
Der Bus verkehrt streng nach Fahrplan. Zu festgelegten Terminen und Uhrzeiten hält er an immer denselben 88 Plätzen. Zuverlässig und vertraut seit 30 Jahren. So lange gibt es den "Bücherbus“ im Märkischen Kreis (Nordrhein-Westfalen) schon. Und niemand will auf ihn verzichten. "Ich finde den prima“, erklärt Schüler Fabian den Wert der Fahrbücherei. "Das ist doch praktisch, da brauch’ ich nicht in die Stadt zu fahren. Der Bus kommt hierher, wo ich doch ganz in der Nähe wohne.“
Fabian gehört zu der Generation, die für den Bücherbus eine ganz wichtige Stütze ist: "Die meisten Leser sind Kinder und Jugendliche“, weiß man beim Märkischen Kreis. Entsprechend groß ist auch das Angebot für die jungen Leser an Büchern, Zeitschriften, Hörbüchern, Videokassetten und Computerprogrammen. "Wir haben hier 4 500 Medien, also Titel, an Bord“, sagt Manfred Böhnert. "Und was wir hier nicht haben, können wir beim nächsten Mal aus der Kreisbibliothek mitbringen“, ergänzt Karen Eichler. Dort hat man immerhin 52 000 "Medieneinheiten“ im Angebot. Was auch hier nicht zu bekommen ist, wird über den "Auswärtigen Leihverkehr“ beschafft.
Dennoch - Engpässe sind nicht zu vermeiden. Die Harry-Potter-Welle schwappte auch bis in den Bücherbus. Elf Vorbestellungen gibt es, die vier vorhandenen Bände sind schon lange ausgebucht. Da muss man Geduld haben, denn es kann Monate dauern, bis man ein so begehrtes Buch in Händen hält. Sachbücher, Tierbücher und Magazine sind weitere Kategorien, die bei den jungen Lesern gefragt sind.
Das bestätigen auch Friederike und Jessica, deren Hobby - natürlich - Lesen ist. Jessica sucht die Bücher für ihren sechsjährigen Bruder mit aus. Sarah reserviert sich gerne Witzebücher. Sie kommt seit 1998 regelmäßig in den Bus. Jonas steht mehr auf (2) Detektivgeschichten und spannende Krimis. "Oft werden die Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern auf den Bücherbus aufmerksam gemacht oder gleich mitgebracht“, stellte man in der Fahrbibliothek fest.
"Auch die erwachsenen Leser fragen natürlich nach Bestsellern“, sagt Manfred Böhnert, der sich über jeden Besucher freut. "Saisonbedingt kommen mal mehr, mal weniger“, hat er festgestellt. Doch gelesen wird immer. Und die Leselust ist in den elf Jahren, in denen er mit dem Bus unterwegs ist, immer noch ungebrochen (3).
Rollende Büchereien gibt es in erstaunlich vielen Orten Deutschlands, verrät ein Blick ins Internet. Mit ihnen erreicht man auch die Menschen in kleinen Orten, die nicht bis in eine "stationäre“ Bibliothek fahren können. Weil heute viel gespart wird, blieb schon mancher Bücherbus auf der Strecke (4). So musste auch der Märkische Kreis vor sechs Jahren auf einen von damals zwei Bücherbussen verzichten. Aber der verbliebene Bus wird von den Benutzern heiß und innig geliebt. Manche nutzen ihn sogar als Treffpunkt und Kommunikationsplatz. Die Besatzung des Busses hat für jeden Leser ein freundliches Wort übrig. Vielleicht sorgt auch dieses persönliche Verhältnis für die Erfolgsgeschichte des mobilen Lesetreffs. Denn die Bilanz des Märkischen Bücherbusses kann sich sehen lassen: Jährlich werden ca. 83 000 "Medieneinheiten“ von etwa 2 200 Lesern ausgeliehen.
Wolfgang Stössel

1 Lesefutter - Alles, was man lesen kann
2 auf etwas stehen - etwas mögen
3 die Leselust ist ungebrochen - die Lust am Lesen gibt es immer noch
4 auf der Stecke bleiben - hier: abgeschafft werden


Link zum Thema: www.fahrbuecherei.de