JUMA 4/2001

  Nur die Persönlichkeit zählt

Ein schwarzer Erzieher mit einem 17-jährigen Skinhead -
kann das gut gehen?

Das ist Dembo Krubally. Als Schwarzafrikaner musste er sich vor Sven (rechts) fürchten. Doch auch der hatte Angst.
Dembo

"Als Sven zu uns kam“, erinnert sich Dembo Krubally, "hatten wir beide voreinander Angst. Wenn ich in sein Zimmer kam, provozierten mich die Reichsfahne und die dröhnende rechte Musik.“ Für Sven war es ein Schock, auf einen Schwarzen zu treffen, der seine Gruppe leitete. Der Erzieher Dembo arbeitete früher in Gambia als Lehrer. Sein Land musste er aus politischen Gründen verlassen. Seit sieben Jahren ist der 36-Jährige in Landau. Zusammen mit drei deutschen Erziehern betreut er die Gruppe Nr. 7. Dembo achtet darauf, dass sich jeder wäscht, abends um 22.30 Uhr ins Bett geht und morgens um 7.30 Uhr zur Arbeit. Dembo verwaltet das Geld, das die jungen Männer verdienen, organisiert mit ihnen zusammen das Essen und sorgt dafür, dass die Regeln eingehalten werden. Aber er isst, spielt, lernt und lebt auch mit seinen Schützlingen.

Sven

Sven kommt aus einem bürgerlichen Elternhaus. "Ich hatte alles“, erzählt er. Er wurde in einer Clique groß, die allmählich nach rechts abdriftete. Man brüllte Nazi-Parolen und baute ein braunes Netzwerk auf. Sven geriet mit der Polizei aneinander, weil er einen Ausländer verprügelt hatte. Statt in eine Jugendstrafanstalt kam er in Dembos Heim. Die neue Umgebung und die enge Wohngemeinschaft haben ihn verwandelt und ihm geholfen. Von den rechten Ideen hat er sich verabschiedet. "Ich wollte weg, weil es nichts gebracht hat außer Anzeigen und Stress“, erzählt er. Der ehemalige Skin, der früher einmal voller Hass gegen alles Nichtdeutsche war, hat sich auch mental von seiner alten Gang gelöst. Was er früher gemacht hat, findet er "schwachsinnig“.
"Du schaffst den Sprung aus diesem Kreis nur, wenn du dich brutal aus der Clique losreißt“, berichtet Sven. "Das ist verdammt schwer, denn du magst die Typen ja irgendwie emotional.“ Von einem Verbot der rechtsradikalen Partei NPD hält Sven nichts. "Die machen im Untergrund weiter“, meint er. Sven ist mehr für Aufklärung und Gespräch mit den Leuten: "Nicht über die Leute reden, sondern mit ihnen. Das sind zum Teil arme Schweine, die da mitmarschieren, arbeits- und orientierungslos. Und so schlecht, wie sie jetzt gemacht werden, sind die meisten nicht.“

Er gehörte zum harten Kern der saarländischen Rechten. Der 17-jährige Skinhead Sven (Namen von der Redaktion geändert) hasste Ausländer. Zuletzt schlug er einen krankenhausreif. Heute hat er die rechte Szene verlassen. Er lebt in der Wohngruppe Nr. 7 im "Sozialpädagogischen Bildungszentrum“ im pfälzischen Landau. Sein Betreuer ist ein Schwarzafrikaner.
Die Mitbewohner

Fast alle in diesem katholischen Heim können üble Geschichten erzählen. Geschichten von Hass und Gewalt, Familien- und Schultragödien, Geschichten von bösen Stiefvätern und betrunkenen Müttern. Fast alle hier wurden herumgeschubst, verprügelt, bekamen nur wenig Liebe. Der eine schlug seine Lehrer, der andere knackte Autos oder Automaten, der dritte verweigerte die Schule und nahm Drogen, der vierte brach in Geschäfte ein, der fünfte zerstörte alles, was ihm in den Weg kam. Das Heim beherbergt zur Zeit 90 Jugendliche aus ganz Deutschland, weit weg von zuhause. Wer hierher kommt, stand am Beginn einer kriminellen Karriere und hatte bereits Konflikte mit dem Gesetz.
Doch Ausländerfeindlichkeit ist für Svens Mitbewohner Fabian, Dirk, Manfred, Stefan, Ricci und Michael kein Thema. "Das sind doch Menschen wie du und ich. Was sollte ich gegen sie haben“, meint Ricci. Sein Zimmernachbar Fabian ist Farbiger. "Man muss miteinander reden, Vetrauen auf- und Gewalt abbauen“, empfiehlt Dembo mit Blick auf Sven.

Der Respekt

Ein Schwarzafrikaner hilft, weiße Jugendliche zu erziehen, ihnen wieder einen Lebenssinn zu geben. "Mit Kopfschmerzen“ hat man Herrn Krubally eingestellt, sagt Direktor Erhard Ries. Dembo ist Mohammedaner. Der für das Erziehungsheim zuständige katholische Bischof musste über seinen Schatten springen - und kirchliche Richtlinien vergessen. Dazu noch ein schwarzer Ausländer in diesen Zeiten, bei diesen Jugendlichen? Überzeugt war man erst, als man Dembo Krubally in einem zweiwöchigen Praktikum erlebte. Er kam gut mit den Jungen zurecht und diese mit ihm. Heute spricht Ries von einem "Phänomen“. Dembo bekennt sich offen zum Islam und verrichtet seine Tagesgebete im Büro. Das wird respektiert. Es beeindruckt die Jugendlichen, die mit Religion, Gott und Frömmigkeit wenig zu tun haben und höchstens in die Kirche gehen, "wenn es dort Freibier gibt.“
"Geeignete Maßnahmen zur Erziehung“, heißt es bei den Jugendämtern, "sollen die Jugendlichen auf den richtigen Weg bringen.“ Sie wohnen allein oder zu zweit in einem Zimmer und lernen Maler, Lackierer, Schreiner, Kfz-Mechaniker oder Maurer wie Sven. Oft denken diese Jugendlichen, dass sie das eigene Leben nicht meistern können, dass sie keine Perspektiven haben. Das kann zu Verunsicherung, Minderwertigkeitsgefühlen und Aggressionen führen. Noch vor einigen Jahren kam es in den Gruppen vor, dass man die eigenen Selbstzweifel auf die projizierte, die offenbar noch tiefer auf der sozialen Leiter standen. Zum Beispiel die Ausländer. Und so hörte man manchmal Nazilieder, "Sieg Heil!“-Rufe und ausländerfeindliche Schimpfwörter.

Das Verständnis

"So etwas spielt sich heute kaum noch bei uns ab“, freut sich Direktor Erhard Ries. Psychologin Pia Müller erklärt das mit dem gemeinsamen Wohnen, Arbeiten und Leben. "Hier zählt nur die Persönlichkeit, egal ob du Deutscher oder Ausländer bist.“ Das gilt auch für den Erzieher Dembo. "Er versucht uns zu verstehen und redet mit uns“, lobt ihn der Ex-Skin Sven, "auch wenn er manchmal streng sein muss.“ Denn manchmal sind die Jungen aggressiv. Sie sind wütend über das zu geringe Taschengeld, den begrenzten Ausgang, die strengen Regeln für den Besuch von Mädchen. Frust und Enttäuschung richtet sich dann gegen die Erzieher. "Dennoch sind die Jungs im Großen und Ganzen ganz nett zu mir“, sagt Dembo und grinst.
Besonders gut scheint sich Dembo mit Skins zu verstehen, so verrückt das auch klingt. Jetzt mit Sven, vor zwei Jahren mit Stefan. Der kam aus einer stramm rechten Gruppe aus Bayern, mit "Skin“- und Hakenkreuz-Tätowierung auf dem Arm. Mit drei Kameraden hatte er als 15-Jähriger 148 Grabsteine umgestoßen. Immer wieder schlug er Ausländer zusammen. Auf den Jungen warteten vier Anklagen wegen schwerer Körperverletzung, Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, Waffenbesitz und Grabschändung, als er ins Jugendheim kam. Nach einigen Monaten in Dembos Gruppe ging er mit seinem Erzieher zu einer afro-deutschen Party, organisiert von einer "Initiative zur Förderung deutsch-ausländischer Begegnungen“. Stefan half bei den Vorbereitungen und malte Plakate. Auf einem stand: "Wir sollten uns kennen lernen.“