JUMA 4/2001

  Ausbildung und Beruf

Buhlen um Bewerber

Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt: Erstmals seit fünf Jahren kommt in Westdeutschland laut Statistik auf jeden Bewerber ein Ausbildungsplatz. Bundesweit beginnen Hochschulen mit der Werbung um Studierende auch aus dem Ausland.

Köder zum Mitnehmen: kleine Geschenke auf der Messe für Ausbildung, Studium und Beruf in Köln
Ob Zahnarzthelferin oder Floristin, ob Friseur oder Tischler - über 700 000 junge Leute wollen 2001 in Deutschland eine Berufsausbildung beginnen, davon mehr als 200 000 in den neuen Bundesländern. In München oder Stuttgart können Schulabgänger unter mehreren Angeboten wählen. In Rostock oder Görlitz müssen dagegen viele ihren Berufswunsch ändern: Mandy, 16, lernt Hotel-Fachangestellte statt Krankenschwester; Meik, 17, wird Bäcker statt Kraftfahrzeugmechaniker. In den alten Bundesländern kommen 102 Lehrstellen auf 100 Bewerber; in den neuen Bundesländern sind es nur 37. Mehr als 16 000 junge Ostdeutsche gingen im letzten Jahr wegen einer Lehrstelle in den Westen. So wird die 17-jährige Doreen aus Chemnitz Einzelhandelskauffrau in Hamburg und nicht in Sachsen.
Dabei finanzieren die Bundesregierung und die Länder in diesem Jahr wiederum Tausende zusätzliche Lehrstellen im Osten. Sie wollen damit die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Das Programm heißt "Jump“. "Jump“ steht für "Jugend mit Perspektive“.

Qual der Wahl

In den alten Bundesländern herrscht mancherorts Bewerbermangel: Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. So kamen im Arbeitsamts- bezirk Köln im März 2001 statistisch auf jeden Bewerber 1,5 freie Lehrstellen.
Kein Wunder, dass ausgerechnet hier die erste bundesweite Messe für Ausbildung, Studium und Beruf stattfand. Über 28 000 Oberstufenschüler und Abiturienten informierten sich auf der "Einstieg Abi“ über Berufs-, Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten.
Die Interessentinnen und Interessenten waren heiß umworben: 173 Unternehmen, öffentliche und private Hochschulen und Institutionen stellten ihre Studien- und Ausbildungsangebote vor. Die Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler mit Fach- oder Hochschulreife. Ein Drittel von ihnen - jährlich rund 100 000 - entscheidet sich für eine Ausbildung im Dualen Ausbildungssystem: Sie lernen gleichzeitig in einem Betrieb und in der Schule. Viele Firmen wie Banken oder Versicherungen brauchen den qualifizierten Nachwuchs ohne Studium und machen die Ausbildung durch hohe Löhne und sichere Arbeitsplätze attraktiv. Von den 308 000 Studienanfängern im Jahr 2000 entschied sich übrigens die Hälfte für die 3 Haupt-studiengänge Jura, Volkswirtschaft und Humanmedizin. Dabei gab es noch nie so viele berufliche Möglichkeiten wie heute: rund 1 600 Studienfächer an 324 Hochschulen sowie 360 anerkannte Ausbildungsberufe von A wie Automobilkaufmann bis Z wie Zahntechniker. Die stärkste Nachfrage herrscht nach Berufen der Informationstechnologie (IT) und der Medien. Viele dieser Modeberufe entstanden erst in den letzten Jahren, so wie Medien-Gestalter/in, Informatik-Kaufmann/-frau oder Informationselektroniker/in.

Chancen und Gefahren

Viele Schulabgänger in Westdeutschland lassen sich wegen der guten Lehrstellensituation Zeit. Sie überlegen lange, welcher Beruf zu ihnen passt, und schließen sozusagen erst in letzter Minute einen Ausbildungsvertrag ab. So wie Nadja, 16: Sie machte nach der 10. Klasse den Realschulabschluss in Düsseldorf. Ihr Berufswunsch: "Irgendwas mit Menschen“. Schließlich entschied sie sich im Sommer für eine Ausbildung zur Reiseverkehrs-Kauffrau. Ihre Ausbildung beginnt im September - 3 Wochen nach Abschluss ihres Ausbildungsvertrages. Immer mehr Schulabgänger haben dagegen nur das schnelle Geld im Blick. Sie jobben als ungelernte Hilfskräfte zum Beispiel beim Fernsehen oder in der Gastronomie - es sind die Arbeitslosen von morgen.

Zuwanderungsland Deutschland

Langfristig haben Bewerberinnen und Bewerber um Ausbildungs-, Studienplätze und Jobs in Deutschland gute Karten. Die demografische Gesamtbilanz ist nämlich negativ. Allein im Jahr 1999 starben rund 77 000 Menschen mehr, als geboren wurden. In fünf Jahren sinkt auch die Zahl der Schulabgänger.
Schon gibt es nach amerikanischem Vorbild eine "Green Card“ (= Arbeits- und
Aufenthaltserlaubnis) in der Bundesrepublik. Sie ermöglicht Com- puterspezialisten - zunächst be- fristet - das Leben und Arbeiten in Deutschland. Die Wirtschaft braucht diese Fachkräfte. Sie findet sie weder in Deutschland noch in den Ländern der Europäischen Union. Auch in anderen Berufen zeichnet sich mittlerweile ein Mangel an Arbeitskräften ab, den man mit der "Green Card“ beheben könnte. Deutschland will außerdem den Anteil der ausländischen Studierenden an den Hochschulen erhöhen. Dafür verbessern sich zur Zeit die Bedin-gungen. "Deutschland soll wieder erste Adresse werden, wenn es um die Aus- und Weiterbildung künftiger Fach- und Führungskräfte aus dem Ausland geht“ heißt es in einem Strategiepapier. Erstes Ziel: die Verdoppelung der Zahl ausländischer Studierender bis zum Wintersemester 2003/2004.
Wichtige Voraussetzung für das Studium in Deutschland ist nach wie vor die Kenntnis der deutschen Sprache. Ein Nachweis hierfür ist u.a. das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD II der KMK), das man an DSD-Schulen in vielen Ländern erwerben kann.

Internet-Tipps:
www.arbeitsamt.de
www.bibb.de
www.einstieg.com
www.kmk.org
www.zvs.de


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