JUMA 3/2001

  Geld macht nicht immer glücklich

In der Schuldenfalle

Handys verursachen enorme Kosten

Besonders begehrt bei Jugendlichen sind Handys. Erwachsene erfüllen sich ihre Wünsche - Autos, Möbel, Reisen, Computer, Stereoanlage - nicht selten mit Krediten. Ihre Kinder machen es nach. Viele Jugendliche denken sich nichts dabei, sich Geld zu pumpen. Irgendwann geht dann der Überblick verloren.
Markus war zwölf, als sein größter Wunsch zu Weihnachten erfüllt wurde: ein eigenes Handy. Doch mit dem Mobilfunk begann das Drama. Mal eben den Freund anrufen, eine SMS-Nachricht verschicken - schon bald war die erste Telefonkarte leer und das Handy verlangte nach neuem Futter. Seither geht das Taschengeld weg, viele andere Wünsche bleiben unerfüllt.
Katja (14) mag’s gern schick. Eine neue Hose, Schuhe nur von der teuren Sorte. Bei ihrem Taschengeld ein teurer Spaß. Doch Katja will mithalten, "in" sein. Manche ihrer Freundinnen gehen ihr inzwischen aus dem Weg. Den Satz: "Kannst du mir mal mit ein paar Scheinen aushelfen?", bekommen sie in letzter Zeit öfter zu hören. Dabei sind sie selbst chronisch knapp bei Kasse.
Stefan ist 17. Seine Schulden müssen seine Eltern bezahlen. Eine einzige Handy-Rechnung war dreimal so hoch wie sein Gehalt. Zuviel für den Handwerker-Lehrling.
Diese Beispiele sind keine Einzelfälle, wie uns Eltern, Lehrer, Jugendpfleger und natürlich die Kids selbst bestätigen. Immer größere Ansprüche, immer mehr Wünsche, und das Geld reicht nicht. "Früher bekamen wir überhaupt kein Taschengeld", erzählen viele Erwachsene. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage sind die jungen Leute eine für die Wirtschaft ernst zu nehmende "Konsumentengruppe" geworden, die Milliarden bewegt. Taschengeld, selbst verdientes Geld (z.B. durch Zeitungen austragen) bringen die begehrte "Kohle". Wo Geld ist, wachsen die Ansprüche. Handys ("Kostenfalle Nr. 1"), neue Kleider, schicke Schuhe, Disko, Kino, die neuesten CDs, Computerspiele - im Nu ist das Geld weg. "Nicht selten wird dann Geld geliehen, bei Freunden, Mitschülern, Eltern, Oma und Opa", beobachtet Jugendpfleger Ralf Schumann. "Schnell kommen Summen zusammen, die man vom Taschengeld gar nicht mehr oder nur schwer wieder zurückzahlen kann. Die Schuldenfalle klappt zu." Ralf: "Leider ist es Trend: sich alle Wünsche erfüllen wollen, aber das Geld dafür nicht selbst erarbeitet haben." Schuldnerberatungen bemerkten schon vor Jahren, dass sich immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene verschulden. Ein denkbar schlechter Start ins Leben.
In Neunkirchen gab es für junge Leute einen Workshop zum richtigen Umgang mit Geld. Bezeichnender Titel: "Ohne Moos nix los". Die Idee stammte von Angelika Wehler von der örtlichen Volksbank. Eltern hatten der Bank die Schuld an den Schulden ihrer Kinder gegeben. "Dabei dürfen die Taschengeldkonten nur auf Guthabenbasis geführt werden", so Angelika Wehler. Sie wandte sich an Ralf Schumann, der die Idee für einen Workshop zum Thema "Geld ausgeben" gerne aufgriff. "Das Seminar fand große Resonanz", sagt Ralf. Zuerst gab es eine Bestandsaufnahme. "Fast alle hatten ein Handy, fast alle hatten einen kleinen Job, fast niemand kam mit dem Geld aus", so Angelika und Ralf.
Angelika bemerkte, wie jungen Leuten "erstmals die Augen aufgingen". Allerdings standen einem Sinneswandel
- aus Sicht der Jugendlichen - handfeste Argumente entgegen. "Vor allem gegen den 'Gruppenzwang‘ ist schwer anzukommen: Markenklamotten, um akzeptiert zu werden, Handy und die neuesten CDs, um dazu zu gehören." Jugendpfleger Ralf: "Manche leben in dem Glauben: Wer Geld hat, der ist was!"
Erstaunlich ist, dass viele Jugendliche das Problem sehen. Doch nur wenige kamen auf die Idee richtig zu wirtschaften. Auch Natascha, Simone, Maribel und Sonia bestätigen dies. Sie wissen, dass ihre Handys das meiste Geld verschlingen. Doch möchte niemand auf das Versenden von SMS verzichten oder weniger telefonieren. Sonia: "Das Handy ist gut, da bin ich immer erreichbar." Die Hälfte ihres monatlichen Taschengelds geht für Telefonkarten drauf. Simone hat angefangen, sich das Geld etwas einzuteilen. "Es nützt aber nichts", so ihre ernüchternde Bilanz. Maribel ärgert sich, dass ihre Telefonkarte noch dann benutzbar ist, wenn das Guthaben längst verbraucht ist. "Da war ich schon mal im Minus." Natascha weiß gar nicht, wie viel Geld sie im Monat für Kleider und CDs ausgibt.
Die wichtigsten Tipps von Angelika und Ralf: Teilt euch euer Geld ein, nicht schon in der ersten Woche des Monats alles ausgeben! Und: Macht nicht jeden Trend mit, geht nicht zu Veranstaltungen, wenn das Geld nicht reicht." Ralf: "Man muss nicht viel Geld haben, um was zu sein und Anerkennung zu finden. Geld bedeutet nicht alles."

Text: Wolfgang Stössel; Foto: Regina Bermes/laif