JUMA 1/2000

  jetzt: Montags macht die Zeitung Spaß

Jeden Montag liegt ein Jugendmagazin in meiner Tageszeitung. "Supplement“ sagt man zu so einer kostenlosen Beilage. Mein Supplement-Magazin heißt "jetzt:“. Vor "jetzt:“ ist Wochenende. Da freue ich mich schon auf das "jetzt:“ von morgen, auch wenn ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Zielgruppe: das sind die Leser, die man ansprechen will - Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren. Mädchen und Jungen, die man für Tageszeitungen interessieren möchte.

Für die Süddeutsche Zeitung, um genauer zu sein. Das ist eine große überregionale Tageszeitung aus München, Bayern.
Bayern - da gibt’s also nicht nur weiß-blaue Fahnen, kurze Lederhosen und volle Bierkrüge. Junge Journalisten und Layouter machen dort eins der besten Jugendmagazine für die Republik. Woran das liegt?
Die Macher von "jetzt:“ sind nicht viel älter als ihre Zielgruppe. Sie kennen selbst noch die Fragen, die man sich als Jugendlicher stellt: "Wer bin ich?“
- "Wohin gehe ich?“ - "Was wird aus mir?“ Ihre Ideen, wie man daraus Geschichten macht, setzt die Redaktion jede Woche aufs neue um. Also schreiben sie über Jugend, Pop-Kultur, Schule und Berufsausbildung, wie es andere Jugendmagazine bisher nicht taten. Darum geht es in "jetzt:“, nicht um die sogenannten "Pop- und Pickel-Themen“: "Welche Boygroup ist die niedlichste?“ "Welches Wundermittel hilft bei Akne?“
Ein gutes Beispiel für die Arbeitsweise der Redaktion ist die Rubrik "Nur für Jungs/Nur für Mädchen“. Zum Thema "küssen“ liest man da: "Wir Jungs lieben Mädchen, die nicht gleich zu lachen anfangen, wenn wir fragen: Darf ich dich küssen? Trotzdem: Wir küssen gerne ungefragt ...“"Wir Mädchen werden gerne unerwartet geküsst. Besonders, wenn wir dann
erst merken, wie sehr wir eigentlich auf diesen Kuss gewartet haben ...“
(Zitate aus: jetzt: # 19)
So eine Sprache gefällt mir: Sie ist einfach und erklärend, macht aber nicht die Sprache der Jugendlichen nach.
Eine andere Rubrik heißt "Lernen von den Alten“. Prominente beantworten Fragen wie: "Wann soll ich von zu Hause weggehen?“ "Soll ich auf die große Liebe hoffen?“ oder "Wie treffe ich die richtigen Entscheidungen?“ Die Antworten geben die Musikerin Courtney Love oder die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, der Bundespräsident Johannes Rau oder der Comic-Held Batman.
Mehrmals im Jahr gehört ein ganzes Heft einem einzigen Thema. Bei "Schulgeschichten“ schrieben Leser über ihren Schulalltag. Aus vielen
kleinen Geschichten formten die Redakteure das Bild eines ganzen Schultages. Im Spezialheft zum Start der Bundesliga erfuhren die Leser Neues und Kurioses über die aktuellen Vereine. Die Photos in diesem Heft: Nicht die Mannschaften, sondern Souvenirs der Clubs in kleinen, witzigen Szenen. Zum Beispiel ein HSV-Becher beim Zahnarzt. Oder ein Wolfsburg-Sparschwein unter dem Hammer.
Nach "jetzt:“, wenn man erwachsen ist, kommt die richtige Zeitung. Mit Nachrichten und Kommentaren zu Kriegen und Krisen, mit Rubriken wie Wirtschaft, Feuilleton und Lokales. Darum freue ich mich montags auf "jetzt:“. Auch wenn ich nicht zur Zielgruppe gehöre.