JUMA 2/2002
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Studium in Deutschland
Wer die Wahl hat, ... ... hat die Qual. Das sagt ein deutsches Sprichwort. Die Studentinnen und Studenten, die JUMA für seine neue Artikelserie "Studium in Deutschland interviewt hat, sehen das ganz anders. Die freie Wahl der Seminare und der Professoren, die Möglickeit, seinen Stundenplan selbst zusammenzustellen - das sind für sie gute Gründe für ein Studium in Berlin oder Aachen, Lüneburg oder Dresden.
Rebeca, 29, ist Brasilianerin aus Rio de Janeiro. Sie hat früher schon einmal in Deutschland gelebt. Ihr Vater ist Philosophieprofessor und arbeitete 7 Jahre lang als Assistent an der Universität Konstanz am Bodensee. So ging Rebeca vom 9. bis zum 16. Lebensjahr in Deutschland in die Schule. Deutschkenntnisse waren folglich kein Problem, als sie sich für ein Aufbaustudium in Internationaler Agrarwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin bewarb. Vorher hatte sie in Brasilien ihr Biologie-Studium abgeschlossen.Eigentlich braucht Rebeca für das Aufbaustudium in Deutschland gar kein Deutsch. Alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen sind auf englisch. Warum sie dann in Deutschland studiert? "Ich gehe nach dem Studium nach Brasilien zurück, erläutert Rebeca, "und würde dort gerne für eine deutsche Organisation oder Institution tätig werden! An ihrem Studium in Berlin, das sie mit einem Stipendium des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes finanziert, gefallen ihr vor allem "die innovativen Lehr- und Lernmethoden, die eine aktive Teilnahme der Studentinnen und Studenten ermöglichen, und die sehr gute Betreuung des Programms. An der deutschen Hauptstadt liebt sie die Offenheit der Menschen, das Multikulturelle und ein Freizeitangebot, das keine Wünsche offen lässt. Schließlich fand sie hier auch ihr neues Hobby: Capoeira, eine brasilianische Kampfsportart, die ihr in Brasilien überhaupt nicht bekannt war.
Antonio, 23, kommt aus Spanien. Zur Zeit studiert er im sächsischen Dresden Rechtswissenschaften. Zur Vorbereitung auf sein Studium hat Antonio in Dresden einen Intensiv-Sommerkurs besucht. Da er in der Schule nur Englisch gelernt hat, besuchte er außerdem zwei Jahre lang einen Sprachkurs an der Sprachschule im spanischen Santander. Weil Antonio einen internationalen Berufsweg einschlagen möchte, hat er Jura als Fach gewählt. "Damit stehen mir in Spanien alle Wege offen, denkt er. Was Antonio am Studium in Deutschland besonders mag? "Das System in Deutschland gefällt mir gut. Ich kann hier neben meinem Jurastudium auch Seminare in anderen Fächern besuchen, berichtet der junge Spanier, der un-ter anderem Kunstgeschichte belegt hat. Außerdem lobt er das offene und gute Verhältnis zwischen Professoren und Studenten. Die Eltern unterstützen Antonio finanziell bei seinem Studium in Dresden. Außerdem bekommt er Geld aus einem Erasmus-/Sokrates-Stipendium. "Viele Leute sind sehr freundlich, aber andere sehr reserviert und unfreundlich, hat Antonio die Deutschen kennen gelernt, "es gibt kein Mittelmaß. Verliebt ist er in die Stadt Dresden und die Umgebung: "Ich war schon achtmal in der Semperoper, und die Museen sind klasse. Zum Bergsteigen fährt er in die sächsische Schweiz; die Nachbarländer Polen und Tschechien hat er auch schon besucht. Was ihn - als Spanier - am meisten in Dresden stört? "Das Wetter!
Ekaterina, 24, und ihre Freundin Marina, 23, kommen aus Nizhnij Nowgorod. Die beiden jungen Frauen studieren im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes von ausländischen Hochschulen und der Fachhochschule Köln in Deutschland. Beide haben bereits einen Studienabschluss in Betriebswirtschaft und bereiten sich jetzt auf ihre Promotion vor. Ekaterinas Studienschwerpunkt ist Controlling, Marinas Schwerpunkt Marketing. Beide erhalten ein Stipendium der Heinrich-Herzt-Stiftung."In Russland gibt es nicht so viel Literatur und wenige Firmen, die Controlling praktizieren, erzählt Ekaterina. Ihr gefällt, dass das Studium sehr praxisorientiert ist. Vertreter verschiedener Firmen kommen in die Seminare und berichten von ihrer Arbeit. Dass die Fragen bei den Prüfungen eher theoretisch sind, gefällt ihr allerdings weniger. Marina lobt die Möglichkeit des selbstständigen Arbeitens. Und: "Man kann seinen Studienplan weitgehend nach eigenen Wünschen gestalten. Mit ihrem Studienort sind die beiden zufrieden. "In Köln gibt es viele Möglichkeiten auszugehen, sagt Ekaterina. Marina mag den Rhein, die kleinen Straßen und Häuser rund um die Fachhochschule und den Kölner Dom. Das deutsche Essen ist nicht so ganz nach ihrem Geschmack, es gebe zu wenig Suppen und zu viel gebratenes Fleisch. Was sie gar nicht mag? "Essig im Salat - brrr!, sagt sie nur dazu. Trotzdem: "Das Leben ist schön und ein Studium in Köln muss man probieren!, findet Marina.
Die Französin Nedjma,22, kommt aus Clermont-Ferrand. Studiert hat sie zunächst in Straßburg. Jetzt hat sie im 5. Semester Betriebswirtschaftslehre (BWL) in Dresden belegt. Als Schülerin war Nedjma bereits in Deutschland, Dänemark und Griechenland. Zweimal hat sie eine Jugendfreizeit in Regensburg betreut. Deutsch hat sie an der Schule und an der Universität gelernt. Den Studienstandort Dresden hat sie bewusst gewählt, weil sie die neuen Bundesländer kennen lernen wollte. "Ich mag die deutsche Sprache. Die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland sind sehr gut, sagt Nedjma. Trotzdem sprächen in Frankreich wenige Leute Deutsch: "Ein Plus bei Bewerbungen! Ihr Ziel ist das doppelte Diplom an der "Deutsch-Französischen Uni- versität. Weitere Auslandserfahrungen möchte sie in einem angelsächsischen Land machen, und auch später möchte sie gerne im Ausland leben und arbeiten. Im Moment finanziert sie ihr Studium über Stipendien. Nedjma lobt das breite Fächerangebot in Dresden, kritisiert aber die Betreuung: "Von meiner Ecole de Commerce bin ich eine intensivere Betreuung gewohnt. Das ist hier wegen der vielen Studenten schlechter. An Dresden gefallen ihr die architektonische Vielfalt und die geographische Lage: "Von hier aus bin ich schon in Prag, Leipzig und Bayern gewesen!
Ather, 29, ist seit 1998 in Deutschland. In Berlin hat der Pakistani BWL studiert. Nach dem Abschluss dieses Studiums hat er ein Master-Studium in Applied Computing in Lüneburg begonnen. Dort beschäftigt sich Ather mit der Erstellung und Weiterentwicklung hochwertiger Anwendungssoftware. Erste Berufserfahrungen will er später in Deutschland sammeln und dann in seine Heimat zurückkehren.Ein besserer Studienstandard, Auslandserfahrungen und das Kennenlernen einer anderen Kultur - diese Gründe gaben für Ather den Ausschlag in Deutschland zu studieren. Erste Studieninformationen besorgte er sich aus dem Internet. Deutsch lernte er zunächst am Goethe-Institut im pakistanischen Lahore, später dann an einer privaten Sprachschule in Berlin und an der Universität in Potsdam. Eltern und Verwandte unterstützen ihn finanziell, außerdem jobbt Ather nebenher.Dass der Studiengang sehr praktisch orientiert ist, sagt Ather besonders zu, doch "leider gibt es zu viele Studienregeln an den Universitäten und Hochschulen. Die Stadt Lüneburg gefällt ihm, weil sie schön ist und viele historische Ecken hat. "Manchmal ist es aber auch langweilig, gibt er zu. Ein Glück, dass die Großstadt Hamburg in der Nähe ist! Aufgefallen ist Ather in Deutschland, dass hier der Verkehr sehr gut geregelt ist. Andererseits glaubt er, dass manche Gesetze überflüssig oder zu bürokratisch sind.
Der Chinese Cheng Ni, 24, studiert in Aachen Informatik im 4. Semester. In seiner Heimat hat er bereits ein Germanistik-Studium absolviert. Viele berühmte Wissenschaftler kommen aus Deutschland Albert Einstein zum Beispiel! Darum entschloss sich Cheng Ni zu einem weiteren Studium und kam von Asien nach Europa.Während des Germanistik-Studiums hat er bereits ein Semester in Bayreuth verbracht mit einem Stipendium der bayrischen Staatsregierung. Heute finanziert Cheng Ni sein Studium durch Jobs. Außerdem unterstützen ihn seine Eltern. Als einen Vorteil empfindet er, dass er jeden Morgen um 8 Uhr entscheiden kann: Aufstehen oder weiterschlafen! Das kann aber auch ein Nachteil sein, meint er mit einem Augenzwinkern.Obwohl in Aachen viele Ausländer wohnen und studieren, hat die Stadt kein internationales Flair, findet Cheng Ni. Und: Es ist ein guter Ort zum Lernen. Einen Wunsch hat der junge Chinese: Während seines Studiums möchte er noch einige andere Länder in Europa bereisen. Die Nachbarländer Frankreich, Belgien, Österreich und die Niederlande hat er bereits kennen gelernt. Nach dem Studium will Cheng Ni nach China zurückkehren. Er hofft auf eine Beschäftigung in einer chinesisch-deutschen Kooperation. Interviews: Christiane Filius-Jehne, Petra Kroll, Jörg-Manfred Unger, Christian Vogeler; Fotos: Eva Tritschler, Fachhochschule Rhein-Sieg (Logo/Hörsaal), Fachhochschule Lüneburg, dpa, Fachhochschule Köln (S.38-39), Christine Starke (Porträts Dresden), Redaktion JUMA (übrige Porträts) |