JUMA 2/2002

  Rappen macht das Lernen leicht

Die Jugendband "Music for Learners“ dichtet Songs gegen schlechte Schulnoten und für genervte Schüler.

Barbara Davids (3. von links) und die rappenden Jugendlichen im Tonstudio.
Schlechte Zeugnisse, wieder eine Klassenarbeit "in den Sand gesetzt“ und dann nicht lernen, sondern lieber Rap hören - und das stundenlang. Marie Davids,18 Jahre, aus Freiburg im Breisgau fand die Musik viel spannender als die Lernerei. Denn das Lernen war meistens umsonst. Unregelmäßige englische Verben konnte sie sich nicht merken, in Mathe war sie nicht gut und mit der deutschen Rechtschreibung stand sie auch "auf dem Kriegsfuß“. Wie das so ist, wenn man nicht lernt: Mit den Eltern gibt es Ärger. Maries Mutter Barbara jedenfalls war von schlechten Noten und Rap-Musik total genervt. Die Mutter brüllte die Tochter an: "Sing die Verben doch, wenn du sie so nicht lernst!“ Da war sie, die zündende Idee! Rappend Verben und Mathe lernen - warum denn nicht?
"Wir fanden heraus, dass es nichts gab, womit man mit fetziger Musik Vokabeln lernen konnte“, berichtet Marie. "Und da haben wir einfach selbst was gemacht: Vokabel-Raps auf CD.“
Mutter Barbara Davids bastelte an den Texten und sprach mit Straßenmusikern in der Freiburger Innenstadt, deren Musik ihr gefiel. Ihre Töchter Marie und Katharina suchten Freunde, die Lust aufs Singen hatten. Glück braucht man auch: Einer der Musiker lieh der Familie Geld und ein Tonstudio und machte ein preiswertes Angebot für die CD-Produktion.
"Da hatten wir auf einmal rund 1000 CDs in der Wohnung - aber uns kannte eigentlich keiner“, erzählt Barabara Davids. "Wir haben uns ,Music for learners‘ genannt, denn das machen wir ja. Ich habe also unter diesem Namen Radiosender angerufen und ein paar haben unsere Songs gespielt.“ Marie sprach mit einem Lehrer, der den Vokabel-Rap in der Englisch-Stunde ausprobierte. "Nach Radiosendungen und Schultest haben wir so viele Anrufe erhalten - wir wussten gar nicht mehr, wo uns der Kopf steht. Wir haben Adressen am Telefon mitgeschrieben, um den Leuten unsere CDs zu schicken“, erinnert sich Marie. "Es war chaotisch, denn wir waren ja keine Verkaufsprofis. Aber unsere CDs waren wir ruckzuck los - und ganz viele Anrufer haben gedrängelt: Los, macht noch mehr.“
Also gab’s noch eine CD mit englischen Verben, Teil 2, und dann überlegten sich Musiker, textende Mutter und mittlerweile acht Sänger, dass man jetzt auch mal das Einmaleins verrappen könnte:
"5 x 6 ist 30
dein Poster, das zereiß ich
6 x 6 ist 36
in der Schule superfleißig
7 x 6 ist 42
8 x 6 ist 48
9 x 6 ist 54
10 x 6 ist 60
denk dran, alles rächt sich ...“,
zitiert David,11 Jahre, ganz locker. "Ich kann’s mir jetzt noch merken - dabei sind wir mit dem Einmaleins schon durch.“
Marie, Daniel, Nadine, Nico, David, Katharina, Miriam und Lea - zwischen 11 und 18 Jahren alt - sind mittlerweile so was wie Profis: "Jetzt nehmen wir gerade eine Deutsch-CD auf, Thema Rechtschreibung“, sagen Miriam und Katharina. "Wir haben an die hundert Wörter gesammelt, die oft falsch geschrieben werden.“ Dann wurde an den Texten gefeilt und neue Musiker bastelten eine Mischung aus Rap, Soul und Pop zusammen.
Katharina gibt eine kleine Kostprobe - ein Wechselgesang zwischen einer klugen Fee und einem Kind:
"Jetzt sitz ich hier
so ganz allein
und fühl mich dumm
und fühl mich klein.
Ich will gern raus,
und sitze doch hier
blöd zu Haus.
Ich soll hier üben
und weiß nicht wie,
die Regeln,
die kapier ich nie.
Wieso schreibt man
den Wald mit d
Ich höre hin und hör ein t.
Warum hat Uhr ein h da drin
Und Flur hat keins,
wo ist der Sinn?
Ach Mann, das ist
doch wirklich blöd,
wo ist da wer,
der das versteht
und weiß, wie’s geht?“ ...

Katharina stockt und grinst: "Dann kommt die Fee, und das singt jemand anderes.“
"Im Tonstudio bin ich immer noch furchtbar nervös - vor allen Dingen, wenn die Warterei vor der Aufnahme endlos ist“, bekennt Marie. "Der David dagegen wird erst 12 und ist total cool, den beneide ich darum.“ Die Gruppe ist mittlerweile schon im Fernsehen gewesen und hatte neulich den ersten Live-Auftritt auf einer Veranstaltung in Freiburg. "Singen vor Publikum ist echt stark“, meint David. "Singen gefällt uns sowieso am besten... und ein paar von uns haben sich schon überlegt, ob man das nicht doch mal professionell machen könnte.“ So eine CD-Produktion kostet Zeit und Engagement: zwei Monate lang zweimal pro Woche nach der Schule ins Tonstudio. "Aber wir haben so viele Anrufe von glücklichen Schülern, die endlich was gelernt haben und auch von Eltern und Lehrern, die die Aufnahmen toll finden. Das hebt die Stimmung“, sagt Marie. "Macht was mit Latein und Französisch und Bio, sagen die Leute; man sieht, wir müssen uns noch was einfallen lassen.“

Jutta Schütz

Internet-Tipp: www.music-for-learners.de