JUMA 2/2002
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Durchblicken statt wegsehen
Mit 15 braucht man einen Mofa-Führerschein, um mobil zu sein.
Spitti ist 24 Jahre alt und studiert Jura in Berlin. Er betreut mit Gartenbau-Studentin Birke, 21, auf dem Schulbauernhof Gut Gollin in Brandenburg ein Seminar mit dem Titel Gemeinsam aktiv. Es ist Teil einer Seminarreihe, die Jugendliche besuchen können. Dafür bekommen sie am Schluss den Ökoführerschein und nach einer Zusatzqualifi- kation auch die JugendleiterIn Card. Mit ihr können sie Jugendgruppen betreuen. 17Jugendliche nehmen an dem Seminar auf Gut Gollin teil, darunter4 Jungen. Die meisten haben das Gefühl, etwas für die Umwelt tun zu müssen. Was genau, wissen sie nicht. Ganz normale Leute Dorothee, 18, hat in einem Berliner Café einen Artikel über den Öko-Führerschein gelesen und sich spontan zur Teilnahme am Seminar entschlossen. Sie hat bereits ein Jahr auf einem Öko-Bauernhof in der Schweiz verbracht. Davon ist sie noch heute begeistert. Umweltthemen interessieren sie. Trotzdem war sie zunächst skeptisch: Ich habe befürchtet, dass hier nur Vegetarier und der harte Öko-Kern (3) zusammenkom- men, aber das sind ganz normale Leute. Leute, die wie sie auch mal einen Hamburger essen. Schließlich bin ich ein Großstadtkind, sagt Dorothee. Neben ihr sitzt Kersten, 17. Er hat vor 3 Jahren den Umweltklub Tiere in seinem 500-Einwohner-Dorf Dolgelin gegründe t. Die Mitglieder des Klubs räumen Müll weg, organisieren Bootstouren, beobachten Rehe, Hasen und Füchse und sind im Internet aktiv.
Gemeinsam mit den Jugendlichen backt sie die Frühstücksbrötchen während des Seminars. Sie erklärt, welche Zusatzstoffe in industriell gefertigten Brötchen stecken: In einem Brötchen steckt viel zu viel, was da eigentlich nicht hineingehört von Sojamehl über Phosphat bis zu Enzymen. Die ,chemischen Pülverchen sind notwendig, um unterschiedliches Getreide den standardisierten Produkten und modernen Maschinen anzupassen. Das Backen natürlicher Brötchen auf Gut Gollin mit Mehl, Wasser, Salz, Hefe, Öl und Zucker überzeugt sogar Christin, 15, und Alex, 17. Ihre Mütter haben sie zu dem Seminar verdonnert (8). Mit Öko haben wir eigentlich nichts im Sinn!, sagen beide. Jetzt wollen sie umdenken und nicht mehr einfach konsumieren ohne nachzudenken. Wer so denkt, hat den Öko-Führerschein so gut wie in der Tasche (9). Text: Jörg-Manfred Unger; Fotos: Michaelk Kämpf 1 BUNDjugend - Jugendorganisation im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland 2 die Zivi-Stelle - eine Stelle als Zivildienst- leistender (Alternative zum Wehrdienst beim Militär) 3 der harte Öko-Kern - überzeugte Anhänger ökologischer Lebensweise, die nichts anderes gelten lassen 4 nicht so mein Ding - etwas, was ich nicht mag 5 ökomäßig - in Bezug auf Ökologie 6 Ovo-Lakto-Vegetarier/in - isst kein Fleisch, isst aber Eier und trinkt Milch 7 Selbstversorgergruppen - Gruppen, die ihre Lebensmittel direkt vom Erzeuger bekommen 8 jemanden zu etwas verdonnern - jemanden zu etwas verpflichten 9 so gut wie in der Tasche haben - fast sicher haben |