JUMA 2/2002

  LAN-Party

Sie sind aus ganz Deutschland nach Köln-Porz gereist. Mit Schlafsäcken, Computern, Monitoren und endlos viel Kabel. Dazu kommen Kisten mit Getränken und Chips - Proviant für die nächsten beiden Tage und Nächte. Ihr Ziel ist eine alte Halle im Porzer Gewerbegebiet.
Dort findet an diesem Wochenende eine LAN-Party statt. LAN steht für „Local Area Network“ - die lokale Vernetzung von Computern. Rund 500 User treten heute mit ihren PCs gegeneinander an. Gespielt wird Counter-Strike. Ein Computerspiel, in dem sich Terroristen und Polizisten mit virtuellen Waffen bekämpfen. Natürlich kann man das Spiel auch im Internet spielen. Aber die meisten lockt die Atmosphäre auf die „LAN“.

Alle Computer sind untereinander vernetzt. Die Spieler treten in Gruppen gegeneinander an (oben).
Die User sitzen in der dunklen Halle hinter Holztischen, die in langen Reihen aufgestellt sind. Die Hand an der Computermaus, das Gesicht vom Licht des Monitors erhellt. Seit 24 Stunden jagt An-dreas, 19 Jahre, aus Darmstadt durch ein virtuelles Labyrinth aus endlosen Gängen und unheimlichen Schächten. Geschlafen hat er in der letzten Nacht rund fünf Stunden in einem Nebenraum der Halle, berichtet er. Andere bevorzugen als Bett eine Isomatte unter ihrem PC oder schlafen mit dem Kopf direkt auf der Tastatur ein. Noch ein Schluck aus der Dose mit dem Energydrink, um wach zu bleiben! Dann begibt sich Andreas mit seiner Mannschaft im virtuellen Raum auf Position. "Clan“ heißen solche Spielergemeinschaften, die gegeneinander antreten und dabei abwechselnd die Rollen von Jäger und Gejagten übernehmen. Jeder Clan hat einen besonderen Namen und ein spezielles Erkennungszeichen. Die Jungs von der "International Mission Force“ (IFM), so der Name der Kampfgruppe um Andreas, haben sich beim Spielen im Internet kennengelernt. Wie zu Hause am Telefon sind sie jetzt mit Kopfhörer und Mikrofon verbunden. Vor dem Spiel haben sie abgemacht, wo sie ihre Scharfschützen positionieren werden, wo sie den Gegner mit Leuchtraketen blenden oder ihm die Sicht mit Rauchgranaten trüben wollen. Dass dabei reichlich Blut fließen wird, nehmen sie in Kauf. Viele Computerspiele, besonders die aus der "Quake“-Serie, sind sehr brutal und darum in Deutschland für Jugendliche verboten. Andreas sieht das Spiel heute anders. "Wer einfach nur herumballert (1), hat hier keine Chance“, meint er. "Counter-Strike ist ein Strat
Kämpfer im virtuellen Raum, danach Zivildienst: Jochen
egiespiel. Wie beim Schach braucht man eine gute Taktik, um den Gegner zu überlisten“, erklärt er. Hinzu kommen ausgesprochen gute Reflexe, denn hinter jeder Ecke könnte der Feind lauern!
Auch Jochen, noch keine 18, gehört zur IMF. Stress mit den Eltern wegen seines "Hobbys“ kennt Jochen nicht. Die akzeptieren, dass er "so oft wie möglich“ am Computer sitzt und trainiert. Wie oft, mögen er und die anderen nicht sagen. Die Jungs kennen die Klischees. Klar gibt es Leute, die ihre Freizeit nur noch am Computer verbringen und dabei dem Blutrausch verfallen sind. Aber davon distanzieren sich die Fünf. "Wir sind ganz normale Schüler, die auf Turnieren einen möglichst guten Platz belegen wollen“, kontert Andreas, der - wie Jochen - nach dem Sommer seinen Zivildienst antreten wird.
Am Samstagabend sind die meisten Clans nach dem K.O.-System ausgeschieden. Auch Daniela, 19 Jahre, eines der wenigen Mädchen auf der LAN, ist nicht mehr im Rennen. Durch ihren Bruder ist sie zum Cyber-Krieg gekommen. Sie hat sich daran gewöhnt, dass sie kaum Mädchen auf einer solchen Veranstaltung trifft. "Ich habe auch Freundinnen, die spielen. Aber für die ist eine LAN einfach zu extrem“, sagt sie. An der LAN schätzt sie vor allem den Austausch mit Gleichgesinnten. Dabei sei sie als Mädchen durchaus im Vorteil! "Die meisten Jungs helfen einem Mädchen schon mal eher, und meine Gegner verraten mir einige Tricks“, sagt sie.
Viele, die ausgeschieden sind, bleiben bis zum Schluss der Veranstaltung. Für manchen beginnt erst jetzt der Spaß so richtig. In kleinen Gruppen stehen sie beieinander und fachsimpeln (2). Und dann werden im lokalen Netz Spiele, Filme und Musik getauscht. „Irgendwie ist das Ganze einfach nur ein riesiger Spaß, auch wenn man damit nicht viel erreichen kann“, kommentiert Sebastian,18 Jahre, von der IMF das Geschehen um ihn herum. Logisch, dass das, was Spaß macht, nicht unbedingt einen Sinn ergibt. Aber nach dem sucht hier ja wohl auch keiner!
Petra Kroll

1 herumballern – wild um sich schießen
2 fachsimpeln – Fachgespräche führen

Internet-Tipps: www.lanparty.de
www.clan-imf.de